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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten
Autoren: Arkady Fiedler
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Um es vor einem raschen Verfall zu schützen, sollte es in der Höhle untergebracht und diese mit Steinen dicht abgesperrt werden.
    Noch vor Sonnenuntergang zogen wir das Boot mit vereinten Kräften in die Höhle. Als wir das Werk im Schweiße unseres Angesichts vollbracht hatten, war es noch hell. Da kam mir der Gedanke, eine Erinnerung an mich zurückzulassen und in die Bordwand des Bootes meinen Namen einzuritzen. Bei dieser Tätigkeit überkam mich, einem erwachsenen Mann, eine lächerliche Gemütsbewegung. Gerührt betrachtete ich mein Jagdmesser, den einzigen Gegenstand, der mir aus den virginischen Wäldern verblieben war. Als ich das schartige, liebe Gerät in der Hand hielt, gedachte ich der großen Dienste, die mir dieser getreue Gefährte geleistet hatte. Verdankte ich ihm doch so manches Mal mein Leben in der ersten schweren Zeit auf dieser Insel.
    In die Bordwand des Bootes ritzte ich die Worte: JOHN BOBER. Gleich darauf zögerte ich: Warum John und nicht Jan? Da es jedoch schon geschehen war, ließ es sich nicht mehr ändern; ich fügte daher das Wort POLONUS hinzu und unter dem Namen die Jahreszahl 1726.
    Während des Abendessens bat Manauri mit feierlicher Miene um einen Augenblick Gehör. An die Neger gewandt, äußerte er Zweifel, ob sie sich Rat wissen und nicht wieder in die Hände der Spanier fallen würden, wenn sie abgesondert für sich allein auf dem Festland lebten. Daher bot er ihnen nicht nur Gastrecht und Schutz im Indianerdorf, sondern auch Eingliederung in den Stamm der Arawaken mit den gleichen Rechten der anderen an.
    Dann wandte sich Manauri an mich und versicherte, der Stamm würde mir jede Hilfe angedeihen lassen, die ich benötigte, um glücklich die Inseln im Karibischen Meer zu erreichen, die von Engländern bewohnt seien. Zum Schluß fügte er hinzu:
    „Unser Herzenswunsch wäre es jedoch, daß du möglichst lange, ja sogar dein Leben lang, unser Gast bliebest. An Freundschaft, Achtung und Nahrung wird es dir, Jan, bei uns nicht mangeln. . ."
    Ich dankte ihm für die wohlwollenden Worte und für die Einladung.
    Am letzten Tage unseres Inselaufenthalts erwachten wir lange vor Anbruch der Dämmerung und machten uns daran, die Sachen und die Verwundeten auf den Schoner zu bringen. Die Feuerwaffen, die wir besaßen, wollte ich nach Eintreffen im Dorf den Indianern schenken; daher achtete ich mit besonderer Sorgfalt darauf, daß sie nicht beschädigt wur -
    den und in gutem Zustande blieben. Wir hatten nahezu dreißig Musketen und Flinten nebst einem ansehnlichen Vorrat an Pulver und Blei. Damit konnte, bei umsichtiger Nutzung, die Existenz und Freiheit der Arawaken für viele, viele Jahre hinaus gesichert werden. Arnak und Wagura waren sich am besten der Bedeutung solcher Waffen bewußt, und so betraute ich sie mit ihrer Pflege.
    Den Anker lichteten wir erst gegen Mittag, als der Wind zunahm. Wir hielten Kurs geradeaus nach Osten, um so weit wie möglich vom Festland weg zu segeln und nicht in die Ge—
    genströmung zu geraten. Insgesamt waren es dreißig Personen, die die Insel verließen. Elf Menschen hatten den Angriff der Spanier mit dem Leben bezahlt, darunter eine Frau und drei Kinder, Der Weg zur Freiheit war schwer erkauft.
    Wir, Arnak, Wagura und ich, standen an die Bordwand gelehnt und schauten auf die Insel, von der wir uns immer weiter entfernten.
    Mehr als vierhundert heiße, angespannte Tage verlebten wir auf ihr, Tage voll erbitterter Kämpfe mit Krankheiten, wilden Tieren und Menschen, Tage fast ohne Rast, dafür voller Arbeit, Mühe und Gluthitze, mitunter auch voller Verzagtheit. — Ein mühseliger, doch erfolgreicher Weg durch den Wirrwarr der Ereignisse, ebenso verworren und stachlig wie das Inseldickicht. Aber war dieser Weg, den ich gegangen, umsonst zurückgelegt, hatte ich mich vergebens durch das Gestrüpp hindurchgeschlagen, hatte ich aus diesen Kämpfen nur mein nacktes Leben gerettet?
    O nein!
    Als ich von den in bläulichem Dunstschleier versinkenden Palmen Abschied nahm, den in der Ferne entschwindenden Berg betrachtete, von dem ich so oft nach Rettung ausgeschaut — da verwünschte ich nicht die Insel, die mich gefangengehalten. Nein, ich verwünschte sie nicht, denn ich verließ sie reicher und glücklicher. Auf der menschenleeren Insel hatte ich einen großen Schatz entdeckt, ich' entdeckte den Menschen in mir und den Menschen im Nächsten. Gerade hier war es mir wie Schuppen von den Augen gefallen, daß man gegen Menschen einer anderen Rasse
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