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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten
Autoren: Arkady Fiedler
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haben."
    „Es kann einen rasend machen, wie er die Jungen mißhandelt!" platzte ich heraus. „Wozu tut er das?"
    „Wozu? Verstehst du das denn nicht, du Dummkopf? Das ist sein einziges Vergnügen. Dieser Satan hat einen so gemeinen Charakter, daß er stets ein Opfer haben muß, das er langsam zu Tode quält. Vorher hatte er einen jungen Neger. Er hat ihn so lange mißhandelt, bis der Neger wie ein Hund verreckte. Jetzt hat er sich diese beiden Indianer ausgesucht. So wahr ich William heiße, ich gebe meinen Kopf dafür, daß sie diese Fahrt nicht überleben werden."
    „Das ist furchtbar!"
    „Dummer Johnny. Du irrst dich!"
    „Ich versteh dich nicht!"
    „Es ist gut, daß der Alte die Indianer zum Foltern hat, dann läßt er wenigstens uns Matrosen in Ruhe."
    William war im Grunde gutherzig; durch das verderbte Leben auf dem Piratenschiff hatten sich jedoch bei ihm die Begriffe von Gut und Böse völlig verwischt. Ich mochte den alten Matrosen gern und nahm mir vor, ihn, sobald wir nach Nordamerika zurückkehren würden, vom Schiff zu holen. Ich wollte mit ihm in die pennsylvanischen Wälder ziehen und dort einen ehrlichen Menschen und Kameraden aus ihm machen. In Pennsylvanien besaßen die virginischen Lords keine Macht.

Der Kapitän und die zwei Indianer
    U nser Kurs führte geradewegs nach Süden. Es war Februar. Je mehr wir uns dem Äquator näherten, um so spürbarer empfanden wir die Luftveränderung. Die kalten Winde hatten wir weit hinter uns gelassen, die Sonnenwärme stieg von Tag zu Tag, und wenn wir uns mitunter bis auf etwa eine Meile an die Ufer der Inseln heranwagten, so führte uns der vom Lande wehende Wind einen kräftigen Duft von Blumen und unbekannten Wurzeln zu. Auf den Inseln war der Frühling bereits in voller Blüte. Trotz des schweren Dienstes auf dem Schiff begrüßte ich freudig bewegt diesen Himmel, der ein so anderes Gesicht hat als bei uns; denn es geschah zum erstenmal in meinem Leben, daß ich in tropische Gegenden kam.
    Eine Anzahl Inseln hatten wir ohne Zwischenfall passiert. Wir hielten uns weitab von Barbados, wo seit nahezu hundert Jahren die Engländer saßen. Dann nahmen wir Kurs auf Südwest, um die Insel Grenada zu umsegeln. Wir näherten uns den Gewässern, die von spanischen Schiffen aufgesucht wurden. Von nun an hielt der Matrose im Mastkorb mit besonderer Aufmerksamkeit nach allen Seiten Ausschau. Er strengte jedoch seine Augen vergebens an. Es kam uns nichts in den Weg. Leer erstreckte sich von Horizont zu Horizont die See, als hätte sie hier nie einen Menschen gesehen.
    Durch den Mißerfolg erzürnt, stieß der Kapitän Verwünschungen gegen jeden und gegen alles aus. Als fürchtete er eine Meuterei, ging bis an die Zähne bewaffnet einher. Uns knurrte er jedoch nur von weitem an, um so schrecklicher ließ er aber seine Wut an den beiden jungen Indianern aus. Was hatten sie nicht alles zu erdulden! Als einmal der ältere von ihnen, ein zwanzigjähriger Bursche, eine verzweifelte Bewegung wie zur Abwehr machte, zog der Kapitän die Pistole, um ihn zu erschießen. Doch überlegte er es sich anders. Er
    befahl, dem Jungen versalzenes Fleisch zum Essen vorzusetzen, ohne ihm auch nur einen Tropfen Wasser zu gewähren, und ließ ihn dann an den Vormast binden. Dem Unwetter und der Sonnenglut preisgegeben, sollte der Arme so lange gefesselt bleiben, bis er vor Hunger und Durst umkäme. Der Kapitän kündigte an, jeden wie einen Hund zu erschießen, der dem Jungen helfen sollte.
    Das geschah am Nachmittag jenes Tages, als fern am westlichen Horizont die Gipfel Grenadas sichtbar wurden. Machtlos, geduckt wie verängstigte Hunde, waren wir Zeugen der Grausamkeit des Kapitäns. Die ganze Nacht hindurch stand der Junge am Mast, und den ganzen folgenden Tag briet er in der Sonne. Er hatte einen starken Charakter. Er schwieg. Mit keinem Wort verriet er seine Qualen.
    Als der Tag sich neigte, begann ich mich aufzulehnen. In mir regte sich das Temperament des virginischen Grenzbewohners.
    Daß der Kapitän es wagte, einen Menschen vor unseren Augen so offen und schamlos zu quälen, empfand i h als Beleidigung meiner selbst. In den Augen des Kapitäns waren wir eben Gesindel, auf das er keine Rücksicht zu nehmen brauchte.
    Ich nahm mir vor, dem Jungen nach Einbruch der Dunkelheit zu helfen. Die Nacht war bewölkt und pechschwarz, ein warmer Wind stieß ab und zu pfeifend in die Takelage. Es sah nach Regen aus, doch war es nicht sicher, ob er niedergehen würde. Schon seit Tagen
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