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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten
Autoren: Arkady Fiedler
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Woge riß mich auf ihrem Kamm mit sich fort und schleuderte mich gewaltsam Hals über Kopf in die Tiefe. Mir schwanden die Sinne. Als ich meine Augen wieder öffnen konnte, sah ich im Dunkeln nichts mehr von dem untergehenden Schiff.
    Ich war ein ausgezeichneter Schwimmer, doch was nützte mir das jetzt in dieser Hölle, die mich umgab? Ich schluckte Wasser und spürte dabei einen heftigen Schmerz in der Brust; dann hörte ich nur noch ein schwaches Sausen. Doch eine zweite Welle hob mich wieder empor und warf mich an die Oberfläche des Meeres. Nicht lange blieb ich hier, aber es genügte, um ein wenig Luft zu schnappen, bevor mich der nächste Wasserberg zudeckte.
    Wie lange das währte, weiß ich nicht. Alle Augenblicke brach ein winziger Bewußtseinsschimmer bei mir durch. Nach allen Seiten hin und her gerissen, war ich ein armseliges
    Spielzeug des allmächtigen Elements in einem Spiel zwischen Leben und Tod.
    Ich ergab mich dem Tode nicht. Es siegte das Leben. In einem bestimmten Augenblick durchflutete mich ein Gefühl unwillkürlichen Entzückens. Halb bewußtlos und ohne etwas zu sehen, schien es mir, als hätten meine Hände einen harten Gegenstand berührt. In diesem Chaos, in dem ungehemmte Kräfte mich unaufhörlich hoch und nieder rissen, plötzlich ein Widerstand, eine Stütze für Hände und Füße!
    Zugleich strömte das Wasser irgendwohin zurück, und ich konnte wieder Atem holen. Es war ein Felsen, an den ich mich krampfhaft klammerte. Ich wollte aufspringen und laufen. Umsonst — meine Beine knickten zusammen. Mit Mühe kroch ich auf allen vieren und auf dem Bauche an der Erde. An der Erde!
    Nach einer Weile brauste von rückwärts eine neue Welle über mich hinweg und entriß mich wieder dem rettenden Boden; doch war es eine freundliche Welle. Sie hob mich empor und warf mich etwas höher an Land. Als sie zurückflutete, kroch ich eilends vorwärts, um der nachfolgenden zu entgehen. Bei dieser Anstrengung verlor ich das Bewußtsein.
    Wieviel Stunden mag ich so gelegen haben — fünf, zehn oder einen ganzen Tag? Langsam, ganz allmählich kam ich wieder zur Besinnung. Noch lange bevor ich die Augen öffnen konnte, durchrieselte es mich angenehm: Mir war warm. Seit einigen Tagen war mir zum erstenmal warm. Die See schien inzwischen um einige Dutzend Schritte zurückgegan-
    gen zu sein, denn ich hörte aus sicherer Entfernung, wie die Wellen gegen die Ufer brandeten. Wie lange war es her, seit mir ihr Rauschen ebenso angenehm und lieblich in den Ohren geklungen hatte? Die Gefahr war vorüber. Ich lebte.
    Mit einemmal fühlte ich, daß ich den Mund voll Schlamm hatte und mein Kopf zur Hälfte im Sande vergraben war.
    Land, Land! war mein erster Gedanke. Ich schluchzte.
    Nur mit Mühe konnte ich mich erheben. Noch größere Schwierigkeit bereitete es mir, die Augen zu öffnen; es war, als lasteten schwere Gewichte auf ihnen.

Die erste Nacht an Land
    I ch spuckte den Sand aus und rieb mir die Augen. Von dem Seewasser, das ich geschluckt hatte, war mir übel, und ich mußte mich übergeben. Erst danach wurde mir besser.
    Die Wärme, die ich vorhin verspürte, kam von der Sonne. Ihre Nachmittagsstrahlen durchbrachen die Wolken und erwärmten die Erde. Wahrscheinlich waren sie es, die mir den Strand, an den mich die See geworfen, so überaus anziehend erscheinen ließen. Er bestand aus Sanddünen, aus denen hier und da kleine Felsen hervorlugten. Unweit, einige Schritte von mir, wuchsen schlanke Kokospalmen, und hinter den Dünen erstreckte sich trockenes, strauchiges Dickicht. Das Gebüsch überragten vereinzelte Bäume, die zum Landinnern hin immer zahlreicher wurden und schließlich einen dichten Urwald bildeten. Aus dem Dickicht der mitunter über zwanzig Fuß hohen Kakteen vernahm ich das lustige Zwitschern und Pfeifen von Vögeln. Fast hörte es sich an, als hießen sie den Ankömmling willkommen.
    Noch wehte ein starker Wind. Dort, wo vor einigen Stunden noch die verheerenden Unwetter tobten, trugen die Wellen jetzt nur noch weiße Mähnen. Während ich die Weite des Ozeans betrachtete, erwachte in mir die Erinnerung.
    „William, William! Wo bist du, Freund?" fragte ich mit wehem Herzen.
    Ich schaute mich am Strande um: Niemand war zu sehen. Nun begann ich zu rufen und, so schnell es meine Kräfte erlaubten, am Ufer, entlangzustapfen. Keine Antwort. Dann erschrak ich vor meiner eigenen Stimme. Vielleicht lebten hier wilde Indianer, die sich, durch mein Geschrei herbeigelockt, auf einen Angriff
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