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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge
Autoren: Dan Simmons
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Galerie vor ihrem Apartment blieben sie stehen.
    »Waren Sie wirklich an dem Baum, oder handelte es sich nur um ein Stimsim, während Sie im Palast des Shrike geschlafen haben?«, fragte Brawne ihn.
    Der Dichter lächelte nicht. Er griff sich an die Brust, wo ihn der Stahldorn durchbohrt hatte. »War ich ein chinesischer Philosoph und habe geträumt, ich wäre ein Schmetterling, oder war ich ein Schmetterling und habe geträumt, ich wäre ein chinesischer Philosoph? Ist das Ihre Frage, Mädchen?«
    »Ja.«
    »Es ist richtig«, sagte Silenus leise. »Ja. Ich war beides. Und beides war Wirklichkeit. Und beides hat höllisch weh getan.
Und ich werde Sie für alle Zeiten lieben und verehren, weil Sie mich gerettet haben, Brawne. Für mich werden Sie immer auf Luft wandeln können.« Er nahm ihre Hand und küsste sie. »Legen Sie sich gleich hin?«
    »Nein, ich glaube, ich gehe noch einen Moment im Garten spazieren.«
    Der Dichter zögerte. »In Ordnung. Glaube ich. Wir haben Wachen  – mechanische und menschliche –, und unser Grendel-Shrike hat sich seither nicht wieder sehen lassen … Aber seien Sie vorsichtig, okay?«
    »Vergessen Sie nicht«, sagte Brawne, »ich bin der Grendelkiller. Ich wandle auf Luft und verwandle sie in Glaskobolde, die zerschellen.«
    »Hm-hmm, aber verlassen Sie den Garten nicht. Okay, Mädchen?«
    »Okay«, sagte Brawne. Sie strich sich über den Bauch. »Wir sind vorsichtig.«
     
    Er wartete im Garten, wo das Licht nicht ganz schien und die Überwachungskameras nicht ganz hin reichten.
    »Johnny!«, keuchte Brawne und tat einige rasche Schritte auf dem Kiesweg.
    »Nein«, sagte er und schüttelte den Kopf, möglicherweise ein bisschen traurig. Er sah wie Johnny aus. Genau dasselbe rotbraune Haar, die Mandelaugen, das markante Kinn, die hohen Wangenknochen und das sanfte Lächeln. Er war etwas seltsam gekleidet, dicke Lederjacke, breiter Gürtel, derbe Schuhe, Gehstock und eine zottelige Pelzmütze, die er abnahm, als sie näher kam.
    Brawne blieb keinen Meter von ihm entfernt stehen. »Aber sicher«, sagte sie kaum lauter als flüsternd. Sie wollte ihn berühren, aber ihre Hand ging durch ihn hindurch, wenn auch ohne das Flackern oder Verschwimmen eines Holos.

    »Dieser Ort verfügt immer noch über üppige Metasphärenfelder« , sagte er.
    »Hm-hmm«, stimmte sie zu, obwohl sie nicht die geringste Ahnung hatte, wovon er sprach. »Sie sind der andere Keats. Johnnys Zwillingsbruder.«
    Der kleine Mann lächelte und streckte eine Hand aus, als wollte er ihren runden Bauch berühren. »Das macht mich zu einer Art Onkel, Brawne, oder nicht?«
    Sie nickte. »Sie haben das Baby gerettet – Rachel – richtig?«
    »Haben Sie mich gesehen?«
    »Nein«, hauchte Brawne, »aber ich spürte , dass Sie da waren.« Sie zögerte für einen Augenblick. »Aber Sie waren nicht der, von dem Ummon gesprochen hat – der Empfindungsteil der menschlichen HI?«
    Er schüttelte den Kopf. Seine Locken leuchteten im kargen Licht. »Ich habe festgestellt, dass ich der Zuvor Kommende bin. Ich bereite den Weg für den Lehrenden, und ich fürchte, mein einziges Wunder war, dass ich ein Baby genommen und gewartet habe, bis jemand vorbeigekommen ist, der es mir abnehmen konnte.«
    »Sie haben mir nicht geholfen – mit dem Shrike? Beim Schweben?«
    John Keats lachte. »Nein. Und Moneta auch nicht. Das waren Sie allein, Brawne.«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Das ist unmöglich.«
    »Nicht unmöglich«, sagte er leise. Er streckte wieder die Hand aus, als wollte er ihren Bauch berühren, und sie stellte sich vor, sie könnte den Druck seiner Handfläche spüren. Er flüsterte: »Du noch unberührte Braut der Stille, Du Pflegekind von Stille und Langsamer Zeit …« Er sah zu Brawne auf. »Die Mutter der Lehrenden kann doch sicherlich ein paar Wunder bewerkstelligen«, sagte er.
    »Die Mutter der …« Plötzlich musste sich Brawne setzen
und fand gerade noch rechtzeitig eine Bank. Sie war in ihrem ganzen Leben noch nicht unbeholfen gewesen, aber im siebten Monat konnte sie sich unmöglich anmutig hinsetzen. Sie musste zusammenhanglos an das Luftschiff denken, das heute Morgen angelegt hatte.
    »Die Lehrende«, wiederholte Keats. »Ich habe keine Ahnung, was sie lehren wird, aber es wird das Universum verändern und Denkmodelle in Gang setzen, die in zehntausend Jahren noch Gültigkeit haben werden.«
    »Mein Kind?«, brachte sie heraus und rang ein wenig nach Luft. »Das Kind von Johnny und mir?«
    Die
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