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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Autoren: Dan Simmons
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ihm Verdauungsstörungen verursacht, obschon er kaum etwas zu sich genommen hatte. »Hören Sie«, sagte er, »könnten wir die Vorschriften nicht einmal ändern – ich meine, angesichts der Bedrohung, und so? Und einfach in der Nähe der Zeitgräber oder wo auch immer landen und es hinter uns bringen?«
    Der Konsul schüttelte den Kopf. »Seit fast vierhundert Jahren versuchen Raumschiffe und Flugzeuge diese Abkürzung zu den nördlichen Mooren zu nehmen«, sagte er. »Ich kenne niemanden, dem es gelungen wäre.«
    »Dürfte man fragen«, sagte Martin Silenus und hob fröhlich wie ein Schuljunge die Hand, »was beim stammelnden Mist genau mit diesen Legionen von Schiffen passiert ist?«
    Pater Hoyt sah den Dichter stirnrunzelnd an. Fedmahn Kassad lächelte verhalten. Sol Weintraub sagte: »Der Konsul wollte nicht sagen, daß das Gebiet unzugänglich ist. Man kann per Schiff und auf verschiedenen Landwegen dorthin gelangen. Und die Raumschiffe und Flugzeuge verschwinden auch nicht. Sie landen problemlos bei den Ruinen oder Zeitgräbern und kehren ebenso problemlos zu den Punkten zurück, die in ihre Computer eingegeben sind. Lediglich die Piloten und Passagiere sieht man nie wieder.« Weintraub hob das schlafende Baby vom Schoß und setzte es in eine Trage, die er um den Hals hängen hatte.
    »So will es die müde alte Legende«, sagte Brawne Lamia. »Was zeigen die Schiffslogs?«
    »Nichts«, sagte der Konsul. »Keine Gewalteinwirkung. Kein gewaltsames Eindringen. Keine Abweichungen vom Kurs. Keine unerklärlichen Zeitsprünge. Keine außergewöhnlichen Energieemissionen oder Depletionen. Keine irgendwie gearteten physikalischen Phänomene.«
    »Keine Passagiere«, sagte Het Masteen.
    Der Konsul holte langsam zweimal Luft. Wenn Het Masteen wahrlich gerade einen Scherz versucht hatte, so war es das erste Mal in all den Jahrzehnten, in denen der Konsul mit den Tempelrittern zu tun hatte, daß einer auch nur einen ansatzweisen Sinn für Humor zeigte. Was der Konsul freilich von den vage orientalischen Zügen unter der Kapuze sehen konnte, ließ nicht erkennen, ob ein Scherz beabsichtigt gewesen war.
    »Hervorragende Melodramatik«, lachte Silenus. »Ein lebensechtes, gottverdammtes Sargasso der Seelen, und wir steuern darauf zu. Wer orchestriert eigentlich diesen Pißpott von einer Handlung?«
    »Seien Sie still!« sagte Brawne Lamia. »Sie sind betrunken, alter Mann!«
    Der Konsul seufzte. Die Gruppe war nicht einmal eine Standardstunde beisammen.
    Mannschaftsklone räumten das Geschirr ab und brachten Desserttabletts mit Sorbets, Kaffee, Früchten des Baumschiffs, Cremes, Torten und Getränken aus Renaissance-Schokolade. Martin Silenus lehnte die Desserts mit einer Handbewegung ab und befahl den Klonen, ihm noch eine Flasche Wein zu bringen. Der Konsul dachte einige Augenblicke nach, dann bat er um einen Whiskey.
    »Ich denke mir«, sagte Sol Weintraub, als die Gruppe mit dem Dessert fertig war, »unser Überleben könnte davon abhängen, daß wir miteinander reden.«
    »Was meinen Sie damit?« fragte Brawne Lamia.
    Weintraub wiegte unbewußt das Kind, das schlafend an seiner Brust lag. »Zum Beispiel, weiß jemand hier, warum er oder sie von der Kirche des Shrike und dem All-Wesen auserwählt worden ist, diese Reise mitzumachen?«
    Niemand sagte etwas.
    »Dachte ich mir«, sagte Weintraub. »Noch faszinierender, ist jemand der Anwesenden Mitglied oder Anhänger der Kirche des Shrike? Ich für meinen Teil bin Jude, und so durcheinander meine religiösen Vorstellungen heutzutage auch sein mögen, sie umfassen nicht die Anbetung einer organischen Mordmaschine.« Weintraub zog die buschigen Brauen hoch und sah sich am Tisch um.
    »Ich bin die Wahre Stimme des Baums«, sagte Het Masteen. »Obzwar viele Tempelritter glauben, daß das Shrike das Avatar der Strafe für alle jene ist, welche sich nicht von der Wurzel nähren, muß ich das als Häresie betrachten, die nicht in der Bulle oder in den Schriften von Muir verankert ist.«
    Der Konsul links vom Kapitän zuckte die Achseln. »Ich bin Atheist«, sagte er und hielt das Whiskeyglas ins Licht. »Ich hatte nie Kontakt mit dem Shrike-Kult.«
    Pater Hoyt lächelte humorlos. »Die katholische Kirche hat mich geweiht«, sagte er. »Anbetung des Shrike steht im krassen Gegensatz zu allem, was die Kirche verteidigt.«
    Oberst Kassad schüttelte den Kopf, aber es war nicht klar, ob als Weigerung, sich zu äußern, oder als Verneinung, daß er Mitglied der Kirche des Shrike
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