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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Autoren: Dan Simmons
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anderen Zeit wäre Pater Paul Duré sicherlich Bischof, möglicherweise sogar Papst geworden. Paul Duré, groß, mager, asketisch, mit weißem Haar, dessen Ansatz über einer edlen Stirn begann und Augen, die so sehr von der scharfen Klinge der Erfahrung gezeichnet waren, daß sie das Leid nicht verbergen konnten, war Anhänger von St. Teilhard und Archäologe, Ethnologe und bedeutender jesuitischer Theologe. Ungeachtet des Niedergangs der katholischen Kirche, die zu einem, darauf lief es letztendlich hinaus, halb vergessenen Kult geworden war, der aufgrund seiner Verschrobenheit und Isolation vom Strom des Lebens in der Hegemonie geduldet wurde, hatte die jesuitische Logik nichts von ihrer Schärfe verloren. Und auch Pater Duré hatte seine Überzeugung nicht verloren, daß die Heilige Katholische Apostolische Kirche auch weiterhin die letzte, beste Hoffnung der Menschheit auf Unsterblichkeit war.
    Für den Knaben Lenar Hoyt war Pater Duré eine gottgleiche Gestalt gewesen, wenn er ihn bei seinen wenigen Besuchen in den vorbereitenden Seminaren gesehen hatte, oder bei den noch selteneren Visiten des angehenden Seminarteilnehmers im Neuen Vatikan. Während Hoyt am Seminar studiert hatte, hatte Duré eine bedeutende, von der Kirche finanzierte Ausgrabung auf der nahegelegenen Welt Armaghast geleitet. Als der Jesuit wenige Wochen nach Hoyts Weihe zurückgekommen war, geschah dies unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Nur die allerhöchsten Kreise des Vatikans wußten genau, was geschehen war, aber man flüsterte von Exkommunizierung und sogar einem Verhör durch die Heilige Inquisition, die in den vier Jahrhunderten seit dem Chaos nach dem Tod der Erde nicht mehr bemüht worden war.
    Statt dessen hatte Pater Duré um eine Versetzung nach Hyperion gebeten, einer Welt, die den meisten nur wegen des bizarren Shrike-Kults bekannt war, der dort seinen Ursprung hatte, und Pater Hoyt war auserwählt worden, ihn zu begleiten. Es war eine undankbare Aufgabe, eine Reise in einer Rolle, welche die negativsten Aspekte von Lehrling, Eskorte und Spion in sich vereinigte, und obendrein noch ohne die Befriedigung, eine neue Welt kennenzulernen; Hoyt hatte den Befehl, Pater Duré zum Raumhafen von Hyperion zu bringen und sich dann unverzüglich an Bord desselben Spin-Schiffs zur Rückreise zum Weltennetz zu begeben. Was die Diözese Lenar Hoyt bot, waren zwanzig Monate in der kryonischen Fuge, eine Woche In-System-Flug am jeweiligen Ende der Reise und eine Zeitschuld, durch die er acht Jahre nach seinen ehemaligen Klassenkameraden mit dem Versuch einer Karriere im Vatikan oder Missionarsposten anfangen konnte.
    Aber durch Gehorsam gebunden und in Disziplin unterwiesen, akzeptierte Lenar Hoyt ohne Widerrede.
    Ihr Transportmittel, das alte Spin-Schiff HS Nadia Oleg, war eine pockennarbige Metallröhre ohne künstliche Schwerkraft irgendwelcher Art, wenn sie nicht unter Antrieb war, keine Panoramafenster für die Passagiere, nur ein paar Bullaugen, und keinerlei Entspannungsmöglichkeiten an Bord, abgesehen von den sexuellen Stimsims, die ins Datennetz gespeist wurden, um die Passagiere auf ihren Hängematten und Fugendiwanen zu halten. Nach dem Erwachen aus der Fuge schliefen die Passagiere – überwiegend Arbeiter von anderen Welten und Touristen, und als Würze eine Handvoll Mystiker irgendwelcher Kulte und potentielle Shrike-Selbstmörder – auf denselben Hängematten und Fugendiwanen, aßen wiederaufbereitete Nahrung in schmucklosen Kantinen und bemühten sich ganz allgemein, während des zwölftägigen Null-ge-Gleitflugs vom Spin-out-Punkt nach Hyperion gegen Weltraumkrankheit und Langeweile zu kämpfen.
    In diesen Tagen erzwungener Intimität lernte Pater Hoyt wenig von Pater Duré, und er erfuhr gar nichts über die Ereignisse auf Armaghast, die für das Exil des alten Priesters verantwortlich waren. Der jüngere Mann hatte sein Komlogimplantat programmiert, soviel Daten wie möglich über Hyperion in Erfahrung zu bringen, und als es nur noch drei Tage bis zur Landung waren, betrachtete Pater Hoyt sich als Experten für diese Welt.
    »Es gibt Aufzeichnungen, wonach Katholiken nach Hyperion gekommen sind, aber eine Diözese wird dort nicht erwähnt«, sagte Hoyt eines Tages, als sie in ihren Null-ge-Hängematten hingen und sich unterhielten, während die meisten Mitreisenden erotische Stimsims eingeschaltet hatten. »Ich nehme an, Sie werden Missionarsarbeit verrichten?«
    »Ganz und gar nicht«, antwortete Pater Duré. »Die
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