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Die Hyäne

Die Hyäne

Titel: Die Hyäne
Autoren: Jason Dark
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ballte sie wieder zusammen und wiederholte dieses Spiel immer wieder.
    »Ich höre.«
    »Der Traum drehte sich um Collin. Ich konnte jede Einzelheit sehen. Ich war eine einsame Gestalt, die über den Friedhof ging, auf dem Collin begraben liegt. Keiner außer mir war auf dem Gelände. Aber ich wußte, daß man mich beobachtete. Von irgendwoher wurde ich unter Kontrolle genommen, doch es zeigte sich niemand. Ich ging weiter, immer weiter, aber nicht ziellos. Ich war auch kein normaler Mensch mehr, denn ich schwebte über dem Boden. Man hat mich zu dem Ziel getrieben, vor dem ich schließlich stehenblieb. Weißt du, was es war, Carrie?«
    »Sicher«, gab sie leise zu. »Ich kann es mir schon denken. Es war Collins Grab.«
    »Genau. Es war sein Grab.«
    »Und weiter?«
    Mel atmete heftig. Carrie kannte diese Reaktionen. So wußte sie, daß er jetzt zur Schlüsselszene seines Traums gelangen würde, zu dem Punkt, der ihn so geschafft hatte. »Ich stand davor«, nahm er seine Erzählung wieder auf, »und ich habe dir ja gesagt, daß ich den Boden kaum berührte. Auch jetzt war das so. Ich schwebte vor dem Grab und hatte den Kopf gesenkt. Da ist es dann passiert.«
    »Was passiert?« fragte sie, als Mel abbrach. Er fing an zu zittern, und Carrie faßte ihn wieder an, um ihm Nähe und Unterstützung zu leihen.
    Den nächsten Satz brachte er nur stotternd hervor. »Ich – ich konnte ihn sehen.«
    »Wen? Collin?«
    »Ja. Ich schaute in das Grab hinein. Es hatte sich geöffnet. Nur dieses eine Viereck auf dem Friedhof. Ich blickte nach unten, und die Erde war verschwunden.«
    »Was hast du gesehen? – Ihn?« hauchte Carrie.
    »Ja, ihn. Das muß Collin gewesen sein. Es gibt keine andere Möglichkeit.« Er sprach jetzt schnell und zischend. »Aber es war trotzdem nicht unser Sohn. Da lag jemand anderer in seinem Grab – oder etwas anderes. Es war schrecklich…«
    »Was denn?«
    »Eine Hyäne!« schrie Mel de Baker. »Im Grab unseres Sohnes lag eine Hyäne!«
    ***
    Carrie sagte nichts mehr. Auch ihr Mann schwieg. Beide saßen in ihren Betten und starrten vor sich hin. Bis Mel de Baker nach hinten fiel und dabei leise schluchzte.
    Seine Frau hörte, wie sein Kopf das Kissen berührte und es zusammendrückte.
    Übelkeit war in ihr hochgestiegen. Die letzten Worte hatten für diesen Schock gesorgt, und sie hatte den Eindruck, kein Mensch mehr zu sein, sondern eine Puppe, die man genommen und kurzerhand in das Bett gesetzt hatte.
    Ein schrecklicher Traum. Ein furchtbarer Alp. Jetzt konnte sie die Reaktionen ihres Mannes begreifen. Ihr wäre es kaum anders ergangen.
    Kälte und Hitze wechselten sich auf ihrem Körper ab, die Gänsehaut wollte sowieso nicht weichen.
    Carrie beugte sich nach rechts, wo ihr Mann flach auf dem Rücken lag.
    Sie streichelte ihn. Sie fuhr über seine Stirn hinweg, über seine Wangen und stellte fest, daß sein Gesicht schweißnaß war.
    »Hast du gehört, Carrie?« fragte er leise.
    »Ja, das habe ich.«
    »Was sagst du?«
    Ihr seufzender Atemzug war zu hören. »Schrecklich, Mel, es muß schrecklich für dich gewesen sein. Ich kann jetzt verstehen, daß du so fertig gewesen bist. Ich wäre es an deiner Stelle auch gewesen.«
    »So schlimm war der Traum noch nie«, sagte Mel de Baker. »Ich habe ihn hautnah erlebt. Ich war auf dem Friedhof und nahm die Gerüche wahr. Den Geruch der feuchten Erde, der faulenden Kränze, alles war überdeutlich und zugleich auch so schrecklich. Aber das war noch nicht einmal das Schlimmste, wenn ich ehrlich sein soll. Es war etwas ganz anderes.« Im Liegen schüttelte Mel den Kopf.
    »Was ist es denn gewesen?«
    »Er, Carrie.«
    »Wie? Wen meinst du? Doch nicht etwa Collin.«
    »Doch, Collin.«
    »Und was war mit ihm?«
    Mel de Baker verzog die Lippen. »Er hat sich nicht in eine richtige Hyäne verwandelt«, flüsterte Mel. »Sein Körper sah aus wie der eines Menschen. Sah so aus, wie wir ihn kannten. Aber sein Kopf war der einer Hyäne, bei der schon viel Haut abgefallen war und das blanke Gebein durchschimmerte. So ist es gewesen. Das hat mich so erschreckt. Es war entsetzlich.«
    Carrie schwieg. Sie wußte einfach nicht, was sie sagen sollte. Sie senkte den Kopf. Dabei schaute sie auf ihre leicht zitternden Hände. Ihr toter Sohn hatte sich in eine Hyäne verwandelt. Oder in eine Mutation zwischen Mensch und Hyäne. So etwas war unmöglich. Das mußte einfach zu schrecklich gewesen sein, ein derartiges Monster zu sehen, das der eigene Sohn gewesen ist. Sie fing
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