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Die Hyäne

Die Hyäne

Titel: Die Hyäne
Autoren: Jason Dark
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sprechen?«
    Er stöhnte auf. »Ich weiß es nicht, Carrie.« Beide Hände preßte er gegen die Schläfen. »Es ist alles so schrecklich bizarr auf der einen und so grausam auf der anderen Seite. Ich habe in Bildern geträumt, in Sequenzen. Da lief ein Film ab, aber nicht kontinuierlich. Er wurde immer dann angehalten, wenn etwas Bestimmtes passierte.«
    »Weiter, Mel!« bat Carrie, als ihr die Pause zu lang wurde. Auch sie hatte sich im Bett aufgesetzt und hielt seine Hand umklammert. Sie spürte den Schweiß auf der Haut und auch das leichte Zittern.
    »Immer dann war es schlimm«, murmelte er. »Sie stoppten die Bilder. Nein, der Traum stoppte. Ich war gezwungen, mir die Bilder anzusehen, Carrie, denn sie liefen nicht sofort weiter.«
    »Hast du ihn gesehen?«
    »Ja…«
    »Und?«
    Mel de Baker sprach noch nicht weiter. Er schüttelte den Kopf, dann fing, er an zu weinen. Schließlich nickte er. »Collin war die Hauptperson.«
    »Ich dachte es mir.« Carrie hatte so leise gesprochen, daß Mel sie kaum gehört haben konnte. Aber sie wußte, wer Collin war. Ihr gemeinsamer Sohn. Er lebte nicht mehr. Er war tot und begraben. Er war gerade siebzehn gewesen, als ihn der Sensenmann oder der Teufel zu sich geholt hatte.
    Collin lag in der Erde. Er würde nie wieder zurückkehren, er war tot. Mel, sein Vater, konnte sich damit nicht abfinden. Er litt unter Collins Tod.
    Machte sich Vorwürfe, zu spät aufgewacht zu sein, denn da war Collin bereits in diese teuflische Mechanik hineingeraten. Ohne Chancen, dort wieder herauszukommen. Schließlich war er gestorben.
    Selbstmord – hatte es geheißen, laut Polizeibericht, doch die Eltern glaubten nicht daran, daß ihr Sohn freiwillig vom Dach gesprungen war.
    Sein Körper war beim Aufprall zerschmettert worden. Er hatte geblutet.
    Die Lache hatte auf dem Gehsteig wie eine Fahne gelegen. Ein schreckliches Bild, das beide Eltern nie vergessen würden.
    »Es geht noch weiter, Carrie.«
    Die Worte zerstörten die Überlegungen der Frau. »Wie meinst du das denn?«
    »Es ist noch nicht beendet.«
    »Noch mal. Wen meinst du?«
    »Collin, unseren Sohn.«
    »Und weiter?«
    »Er wird uns noch Arger bereiten, auch als Toter. Ich weiß es, Frau. Und ich kann es nicht verhindern.«
    Seine Worte erschreckten Carrie, denn Mel hatte so gesprochen, als gäbe es keine andere Alternative. Trotz ihrer Furcht hakte sie nach.
    »Was macht dich denn so sicher?«
    »Das weißt du.«
    »Nein, Mel. Sag nicht schon wieder, daß dein Traum der Wahrheit entspricht.«
    »Ich weiß es besser. Er war noch nie so schlimm.« Scharf saugte er die Luft ein. »Ich glaube, ich – ich kann nicht mehr bei dir bleiben, Carrie.«
    Sie erschrak. So etwas hatte sie noch nie aus dem Mund ihres Mannes gehört. »Wie meinst du das denn? Willst du mich allein lassen, Mel?«
    »Nicht für immer. Ich muß aber weg. Ich kann nicht mehr länger hier in der Wohnung bleiben. Ich muß einfach an die frische Luft, Carrie. Versteh das bitte.«
    »Und wohin willst du?«
    »Einfach zwei Stunden fahren oder gehen. Ich weiß es nicht so genau, Carrie.«
    Carrie ließ nicht locker. Sie wußte, daß sich ihr Mann in einer Situation befand, in der er Hilfe brauchte, auch wenn er das nicht zugeben wollte.
    »Willst du ihn mir nicht erzählen, Mel? Oft ist es besser, wenn man mit einem Menschen über die Probleme redet.«
    »Das weiß ich, aber…«
    »Du kannst mir alles sagen, Mel. Alles. Ich höre zu. Danach überlegen wir gemeinsam, was…«
    Er unterbrach seine Frau mit einer Frage. »Glaubst du eigentlich, daß unser Sohn Collin tot ist?«
    Carrie wußte nicht, was sie von dieser Frage halten sollte. Sie schwieg, dann lachte sie auf, hob die Schultern und fragte schließlich: »Was soll die Frage, Mel? Natürlich ist er tot. Wir haben ihn begraben. Auch wenn mir sein Selbstmord noch immer nicht in den Kopf will, aber wir haben uns damit abzufinden. Collin ist tot und begraben.«
    »Begraben schon«, gab Mel zu.
    »Und tot nicht?«
    »Das weiß ich nicht, Carrie. Ich bin mir zumindest unsicher geworden.«
    »Tut mir leid, aber das verstehe ich nicht.«
    »Klar, du hast auch nicht meinen Traum durchlitten.«
    Carrie spürte, wie der Ärger in ihr hochstieg. »Du redest zwar von deinem Traum, aber das ist mir zuwenig. Du mußt mir doch endlich sagen, was du geträumt hast.«
    »Dann werde ich es dir erzählen«, flüsterte Mel über die Bettdecke hinweg. Er bewegte dabei seine Hände sehr unruhig. Schloß sie zu Fäusten, streckte sie,
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