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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers
Autoren: Tatjana Stöckler
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gegenüber. Nun, es würde seinen Grund haben, warum sie noch nicht unter der Haube war – ganz im Gegensatz zu ihrer blonden Begleiterin. Luzia hatte die Jungfer sie genannt, eine Augenweide und mit einer Portion Koketterie ausgestattet, die wohl jedem Mann gefiel. Franks Miene verdüsterte sich. Ob die beiden bei dem Kutscher gut aufgehoben waren? Dessen Gesicht kannte Frank. So kurz er auch erst in der Gegend arbeitete, den Kerl hatte er an jedem Richttag in der ersten Reihe der Zuschauer gesehen. Und auch diesmal … war es Zufall, dass er ausgerechnet auftauchte, wenn Leichenschänder sich an dem Gehenkten zu schaffen machten?
    Hätte Frank doch nur schneller reagiert! Das Päckchen enthielt mit Sicherheit die abgeschnittene Hand und der Kutscher gehörte zu der Art von Schelmen, die dergleichen kauften. Nur brauchte es ein wenig mehr als Frechheit, die dunkle Magie eines solchen Artefakts zu wecken. Ob dieser brummige Geselle dazu fähig war?
    Frank zuckte die Schultern und wandte sich zurück zu seiner Hütte am anderen Ende des Richtplatzes. Er beabsichtigte nicht, so lange am Ort zu bleiben, bis der Sündenpfuhl hier ausgehoben war. Wenn er sich ein paar Goldstücke für seine leere Reisekasse verdient hatte, würde er sofort seine Suche nach Bärbel fortsetzen. Da lohnte es nicht, seine Nase zu tief in gewisse Angelegenheiten zu stecken oder gar den Scharfrichter zu maßregeln.
    Mit schweren Schritten stapfte er über die festgetretene Erde. Eine Krähe flatterte vor ihm vom aufgestellten Rad herunter und schubste dabei den Schädel des Hingerichteten auf den Boden. Mit einem dumpfen Laut landete er vor Frank und rollte noch ein Stück auf ihn zu.
    »Du hast es überstanden«, murmelte Frank und zermalmte unter seinem Stiefel die Kalotte, die knirschend zersprang. Mehrere Tritte vergruben die Knochenstücke im Erdreich und er half herausrollenden Zähnen mit der Stiefelspitze nach. Wenn nachher einer der anderen Knechte ihn ablösen kam, würde Frank mit ihm zusammen das Rad herunterholen und die restlichen Knochen dieses Sünders zerschlagen, damit Platz für den nächsten Verbrecher geschaffen wurde. Das Rad konnte nochmals verwendet werden, was einen zusätzlichen Gewinn bedeutete, da er kein neues vom Wagner bestellen musste. Zehn Gulden sah sein Vertrag mit dem Scharfrichter für das Rädern vor – weit weniger als der Preis, den er in Haigerloch bekommen hatte. Hier, obwohl Residenz des Landgrafen, floss das Geld spärlich für ihn. Wie gesagt: Frank wollte nicht lange bleiben.
    Hinter der Wächterhütte regte sich etwas. Frank tat, als ob er es nicht bemerkte, schob sich seinen Schemel zurecht und setzte sich darauf. Behaglich streckte er die Beine von sich und lehnte sich gegen die Bretterwand, behielt seinen Knüppel allerdings in Griffweite. Kaum hatte er sich die Mütze tiefer in die Stirn geschoben, trat verstohlen eine junge Frau um die Ecke der Hütte.
    »Heda, Henker«, sprach sie ihn frech an.
    Zur Antwort knurrte er nur unwillig.
    »Sag, Henker, willst du was verdienen?«
    Noch immer den Unbeteiligten mimend, gönnte er ihr einen Blick. Sie hielt ihr Brusttuch über den Kopf und vor ihrer Nase zusammengezogen, wohl weniger wegen des üblen Geruchs der Richtstätte, eher, damit sie niemand erkannte. Sie streckte einen Holzkrug vor.
    »Gib mir vom Blut eines Schelmes, dann werde ich dich bezahlen.«
    Unwillig verschränkte er die Arme vor der Brust. »Nix da«, brummte er.
    Enttäuscht ließ sie den Krug und den Kopf hängen, aber bevor sie sich zum Gehen wandte, beugte sie sich noch einmal näher. »Und … warum nicht?«, flüsterte sie.
    Frank warf ihr einen langen Blick zu. »Richttag hatten wir vorgestern. Da stellte ich drei in den Stock, stäupte acht durch, branntmarkte zwei, schnitt ein Ohr und eine Zunge ab und hängte Einen. Von allen diesen leistet uns nur noch der Eine Gesellschaft, und der gibt sein Blut nicht mehr her. Bring mir am Abend vor dem nächsten Richttag dein Krüglein und die Bezahlung, so will ich es dir bei Gelegenheit füllen.«
    Das Mädchen griff unter seine Schürze und präsentierte eine Goldmünze auf seiner flachen Hand. »Wird das reichen?«
    Mürrisch wiegte Frank den Kopf. »Wofür soll‘s denn sein?«
    Sie schwieg eine Weile, tat sich schwer zu antworten. »Meine Mutter«, brachte sie schließlich heraus. »Sie leidet am Veitstanz. Manchmal hält sie inne in der Arbeit, ihre Augen starren wie tot, dann fällt sie um und tanzt auf dem Boden herum,
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