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Die Hure: Roman (German Edition)

Die Hure: Roman (German Edition)

Titel: Die Hure: Roman (German Edition)
Autoren: Laura Gustafsson
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ganz zu passen. Die Blusen stehen am Rücken ab, im Nacken ragt ein Flügelpaar aus dem Halsausschnitt. In Taillenhöhe bewegt sich etwas, als ob ein überzähliges Paar Hände unter der Bluse etwas anstellt. Jedes Mädchen hat ein Buch. Bei manchen liegt es verkehrt herum auf dem Tisch, bei anderen ist nur noch der Einband übrig.
    Die Mädchen und die wie ein Imker aussehende Lehrerin starren auf die Glasscheibe. Morpheus hebt grüßend seine Patschhand, doch niemand im Zimmer reagiert.
    »Mutti, warum winken die nicht?«
    Auch Milla hebt die Hand, doch die Mädchen und ihre Lehrerin gucken woandershin.
    »Ich glaube, die sehen uns nicht.«
    Das kleinste Mädchen mit den größten Augen blickt als Erstes wieder in das Buch, das auf seinem Pult liegt. Weder sind die Seiten herausgerissen, noch liegt es verkehrt herum. Es sieht ganz so aus, als könnte das Mädchen lesen.
    »Als ich sie zuletzt gesehen habe, konnte sie nicht einmal sprechen.«
    »Mutti, lesen ist viel wichtiger.«
    »Warum?«
    »Darum.«
    Eines nach dem anderen konzentrieren sich die Mädchen wieder auf ihre Bücher. Manche lesen, andere zeichnen, wieder andere knicken den Einband um.
    »Kommt dir die Lehrerin irgendwie bekannt vor?«
    »Irgendwie schon. Ich weiß nicht.«
    Die Lehrerin merkt, dass eines der Mädchen mit dem Stift auf das Buch trommelt. Sie geht zu ihm hin. Trotz der unförmigen Kleidung sind ihre Bewegungen schnell und fließend. Sie nimmt die rechte Hand des Mädchens in ihre eigene und legt die Finger der Kleinen um den Stift. Das Mädchen wirkt ein bisschen verlegen, scheint die Hilfestellung aber nicht übelzunehmen. Die Lehrerin führt ihre Hand zu den Buchseiten.
    »Mutti, darf man in ein Buch malen?«
    »Nein, aber manchmal doch.«
    »Wann?«
    »Wenn das, was man malt, gescheiter ist als das, was im Buch steht.«
    »Ach so.«
    »Glaubst du, sie wohnen da?«
    »Ich weiß nicht.« Milla entdeckt einen Zinkeimer in der Zimmerecke. »Kann sein.«
    »Sollten wir jetzt gehen?«
    »Willst du das Faultier suchen?«
    »Nein, ich meine ganz weggehen.«
    »Ach.«
    »Ja.«
    »Stört es dich, wenn der Schneemann mitkommt?«
    »Natürlich nicht.«
    »Cool. Wohin gehen wir?«
    »Ich weiß noch nicht. Egal wohin!«

»Wie heißt ihr?«, fragte ich zu Hause, als ich mich wieder an die Fleischbabys erinnerte. Sie jaulten und kläfften bloß. Ich legte sie schlafen, und sie schliefen die ganze Nacht auf meinem Kissen. Am Morgen musste ich gehen. Doch an der Tür machte ich kehrt, weil sie so entsetzlich schrien. »Ich kann euch im Schminkbeutel mitnehmen«, sagte ich. Ich trug sie den ganzen Tag mit mir herum.
    Bald passten sie nicht mehr in den Schminkbeutel, obwohl ich den ganzen Kram herausnahm. »Dann setzt euch in den Laptopkoffer.« Doch nach einer Weile reichte der auch nicht mehr aus. »Geht neben mir her, ihr seid schon so groß«, schlug ich vor, und sie taten es. Sie wurden irrsinnig groß, so groß wie ich, und sie folgten mir überallhin.
    Eines Tages, war es in der Stadt oder in meinem Bett, egal, eines Tages hatte ich überhaupt keine Angst mehr.
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