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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon
Autoren: Ulf Schiewe
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allein. In seiner Barmherzigkeit gibt er euch Gelegenheit, es wiedergutzumachen, euch von der Sünde reinzuwaschen und seiner Gnade würdig zu erweisen. Für eine bessere Welt, für Christus, für unseren Erlöser!«
    »Amen«, schallte es aus der Menge. »So soll es sein.« Und: »Der Herr sei gelobt.«
    »Wer ein Schwert führen kann«, donnerte Bernard, »soll sich den frommen Kriegern anschließen. Wer einen Sohn hat, der soll ihn zu Gott senden, denn auch Er hat Seinen Sohn für uns gegeben. Ein Ritter Christi tötet mit gutem Gewissen. Und noch ruhiger stirbt er selber, denn wenn er stirbt, kommt er ins Himmelreich. Wenn er tötet, nützt er Christus. Für Christus grausam zu sein ist die höchste Stufe der Seligkeit.«
    Die Menge unter mir war jetzt von einer gewaltigen Unruhe erfasst. Der ganze Platz war in Bewegung. Immer mehr fingerten an ihren Rosenkränzen und begannen zu beten. Vor der Tribüne sank ein Weib ohnmächtig zu Boden.
    »Ich frage euch«, brüllte Abt Bernard noch einmal aus voller Brust. »Sollen Nazareth und Bethlehem den Ungläubigen in die Hände fallen? Können wir es zulassen, dass das Heilige Grab Christi geplündert wird?«
    »Nein!«, schrie die Menge zurück. »Tod den Ungläubigen! In ihrem Blut sollen sie ersaufen.«
    »Dann geht fort und kämpft.
Ad Dei gloriam.
Kämpft für Gottes Ruhm, und alle Sünden werden euch vergeben sein.«
    Und wie um seine Worte zu bekräftigen, fiel plötzlich eine heftige Bö über den Platz her, riss Mützen von den Köpfen und ließ die Banner knattern. Der Wind blähte Bernards Gewand und ließ ihn übermächtig erscheinen, während er dastand, die Arme weit ausgebreitet, wie Moses auf dem Berg Sinai.
    Nun war der Tumult vollständig. Die Menge tobte. Mönche stimmten Hymnen an, viele fielen in den Gesang ein, Tränen rannen auch über harte Männergesichter. Und auf einmal schallte es: »Sant Bernard, segne uns. Sant Bernard! Sant Bernard.«
    Nun wollten sie nicht mehr aufhören, ihn einen Heiligen zu nennen und sich an seinem Namen heiser zu schreien, denn jeder hatte vom Wunder der
lactatio Bernardi
gehört, von der Mutter Gottes, die diesen Auserwählten von der Milch ihrer Brüste genährt hatte, um ihm ewige Weisheit zu schenken. Wer Platz fand, kniete nieder. Man umarmte sich, Frauen weinten, Mütter hoben ihre Säuglinge in die Höhe und flehten um Bernards Segen. Alles lärmte und johlte durcheinander.
    Und der Abt ließ es zu, dass sie ihn einen Heiligen nannten, und hörte nicht auf, die Menschen zu segnen, die nun ihre Gesichter hoffnungsvoll zu ihm aufhoben und seinen Namen riefen. »Sant Bernard, Sant Bernard!«
    Das Schauspiel der tobenden Menge war überwältigend, erhebend und schaurig zugleich. Trotz meiner Furcht vor den Auswüchsen dieser Begeisterung hallten seine Worte in mir wider, so dass auch ich widerwillig mitgerissen war.
    »Mon Dieu!«,
entfuhr es mir. »Wenn heute bloß niemand zu Tode kommt.«
    Aimar nickte mit bitterer Miene. »Im ganzen Christenreich hat dieser Mann einen Brand entfacht, der nicht mehr zu löschen ist.«
    Aimars Worte lösten den Bann in mir, und ich erkannte ernüchtert den ganzen Wahnsinn dieser Rede. Ums Töten ging es ihm, nur ums Töten. Was hatte das noch mit Christus’ Botschaft der Liebe zu tun? Und ich, armes Weib, sollte ich mich etwa schämen, dass ich ein unschuldiges Kind unter dem Herzen trug, dass ich einem Menschlein das Leben schenken durfte? Ich hatte wahrlich genug, und so flohen wir in den Palast.
    Dort sagte Aimar noch etwas, das mir lange zu denken gab. Man müsse sich fragen, meinte er, warum der Papst gerade jetzt von einer Bedrohung spreche und zum Kampf gegen die Ungläubigen aufriefe. Wenn sich doch seit langem niemand mehr um Outremer geschert habe.
    »Das Volk ist in den letzten Jahren unruhig geworden. Immer mehr Wanderprediger und Ketzer sind unterwegs, die gegen die fetten Pfründe der Geistlichen predigen. Denen laufen viele zu, sogar Adelige. Vielleicht sucht Rom ein Feindbild in der Fremde, um abzulenken. Das würde erklären, warum Clairvaux sich so aufopfernd für diesen Krieg einsetzt.«

Der Leibeigene
    D ie Bluthunde hatten die Fährte aufgenommen und zerrten aufgeregt jaulend an den Leinen ihrer Führer. Vorsichtig folgten die Männer, denn der, den sie jagten, war wahrscheinlich bewaffnet.
    Auch Arnaut brachte seinen Wallach in Bewegung. Der Atem des Pferdes hinterließ Dampfwolken in der kalten Luft. Die Hunde liefen mit feuchten Nasen dicht am Boden,
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