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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon
Autoren: Ulf Schiewe
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man hatte in Narbona gerade die Amtseinführung des neuen Erzbischofs gefeiert, da erschienen zwei Reiter vor dem Nordtor. Es war selbstverständlich zu dieser Stunde geschlossen, aber die Männer behaupteten lautstark, sie hätten eilige Kunde für die
Vescomtessa
Ermengarda selbst, und wollten sich nicht abweisen lassen. Da öffnete die Wache einen Torflügel und musterte die Fremdlinge misstrauisch im Fackelschein des Torhauses.
    Die beiden mussten eine lange Reise hinter sich haben, denn ihre Kleider waren schäbig und abgenutzt wie die von Bettlern, voller Staub und Straßenkot. Seltsam aber, dass sie Stiefel, Hosen und Mützen wie Seldschuken trugen, wie einer der Wachleute erkannte, der vor vielen Jahren in Outremer gewesen war. Das Zaumzeug der Reittiere war mit islamischer Schrift verziert, ja die Gäule selbst von bestem arabischem Blut. Waffen und Rüstungen der Männer sahen jedoch christlich aus und ihr Provenzalisch war einwandfrei.
    Der Kleinere von beiden trug eine lange Narbe im Gesicht. Sein breitschultriger Gefährte, einen Kopf größer, wirkte verwegen und etwas furchteinflößend, besonders mit der schmutzigen Binde über dem linken Auge. Als er vom Pferd stieg, sah man, dass ihm die rechte Hand fehlte, was ihn jedoch wenig zu behindern schien. Er führte sein Pferd durchs Tor und drückte einem der Wachmänner eine fremdländische Goldmünze in die Hand.
    »Heute ist dein Glückstag,
ome
«, sagte er nicht ohne ein Grinsen im Gesicht. »Lauf, so schnell du kannst, und weck die
vescomtessa.
Sie wird es dir fürstlich lohnen.«
    E ♦ N ♦ D ♦ E

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    Anhang
       

Anmerkungen des Autors
    G erade in unserer Zeit steht der Mittlere Osten im Brennpunkt der Konflikte religiöser oder ethnischer Natur. Eine Region, die seit Tausenden von Jahren nicht zur Ruhe kommt. Daran ist auch die christliche Welt nicht unbeteiligt. Die Zeit der Kreuzzüge hat tiefe Spuren hinterlassen, die bis heute nicht verwunden sind. Noch immer nennen die Menschen uns aus dem Westen
franj,
also Franken, denn das fränkische Element überwog in der Eroberung der Kreuzfahrerstaaten. Für viele sind wir im Westen immer noch die Kreuzritter.
    Die Berührung zwischen Ost und West führte aber auch zur kulturellen Bereicherung des Westens und zur Wiederentdeckung der antiken Schriften, deren Übersetzung aus dem Arabischen die spätere Renaissance einleitete. So hat auch bei uns die Epoche der Kriege ums Heilige Land immer noch eine entscheidende geschichtliche Bedeutung.
    Fünfzig Jahre nach dem Ersten Kreuzzug hatte sich in Europa die Begeisterung für die Eroberungen in Outremer gelegt. Höchstens Abenteurer oder Söhne ohne Erbe brachen auf, um dort ihr Glück zu suchen. Kein Fürst war bereit, in größere Unternehmungen zu investieren. Die Wege der Pilger waren dank der neugegründeten Ritterorden offen und einigermaßen gesichert, so dass kein dringender Bedarf zu bestehen schien.
    Die Einwanderung neuer Siedler aus dem Westen war jedoch weit unter den Erwartungen geblieben, und die christlichen Fürstentümer in Outremer litten unter chronischem Mangel an kampferprobten Männern. Truppen aus der einheimischen Bevölkerung waren nicht immer verlässlich, und es war hauptsächlich der Uneinigkeit unter den Moslems zu danken, dass der Status quo gehalten werden konnte.
    Diese Uneinigkeit der Muslime hatte gewiss damit zu tun, dass die Bevölkerung Syriens einerseits ethnisch wie auch religiös sehr gemischt war, und andererseits nur von einer dünnen Oberschicht arabischen Adels beherrscht wurde, die sich den militärisch überlegenen Seldschuken hatte unterwerfen müssen. Diese waren zwar islamisiert, brachten aber ihre Stammestraditionen aus der asiatischen Steppe mit. Die flächenmäßig gewaltigen Eroberungen der Seldschuken splitterten sich rasch in kleine Regionalfürstentümer auf, die sich gegenseitig bekriegten und mehr mit sich selbst beschäftigt waren, als eine ernsthafte Anstrengung gegen die Christen zu unternehmen. Teilweise arrangierte man sich auch zwischen Christen und Muslimen. Es gab durchaus Bündnisse und sogar gegenseitige Kriegshilfe.
    Trotzdem stellten die Kreuzritterstaaten für die islamische Welt ein großes Problem dar, denn sie blockierten die strategischen Wege von Norden nach Süden entlang der levantinischen Küste. Und, noch bedeutungsvoller, sie saßen auf dem Zugang zum Mittelmeer, so dass der Großteil des traditionellen Mittelmeerhandels auf christlich besetzte Häfen
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