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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon
Autoren: Ulf Schiewe
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großen Königshöfe, dass sie von späteren Generationen die Großmutter Europas genannt werden sollte. Die Kunde, dass die Seldschuken dem Kalifen von Bagdad das Haupt ihres geliebten Oheims, Raimon von Antiochia, in einer silbernen Kiste zum Geschenk überbrachten, musste für Alienor allerdings ein schwerer Schlag gewesen sein.
    Dem siegreichen Emir Nur ad-Din war es zum ersten Mal gelungen, den Christen in Outremer anhaltend die Stirn zu bieten. Auf eine Belagerung Antiochias verzichtete er jedoch. Die Befestigungen der Stadt waren zu mächtig für ein turkmenisches Reiterheer. Später sollte sein Schützling, der Kurde Salah ad-Din, die Moslems so weit einigen, dass es ihnen gelang, die Franken noch weiter zurückzudrängen und sogar die Heilige Stadt Jerusalem zu erobern.
    Die junge Fürstin Constance, Witwe und Erbin von Antiochia, trauerte nicht lange um ihren treulosen Ehemann. Entgegen allen Empfehlungen der Mächtigen von Outremer bestand sie darauf, den Abenteurer Reynaud de Chastillon zu ehelichen, der dadurch neuer Prinz von Antiochia wurde. Ihr Starrsinn bestätigte im Nachhinein die Gerüchte, die sich um diese beiden gerankt hatten.
    Chastillon wurde ein rücksichtsloser Fürst, der sich nahm, was er wollte. Einmal setzte er sogar den Patriarchen von Antiochia gefangen, um ihm seinen Willen aufzuzwingen. Er bekriegte das byzantinische Zypern, wo er unbarmherzig plünderte und wütete, und brach mehrfach Vereinbarungen mit den Moslems, bis ihn Salah ad-Din nach der verlorenen Schlacht von Hattin für seine Frevel köpfen ließ.
    Bertran de Sant Gille, der glücklose Bastardsohn des Grafen von Tolosa, und seine Schwester waren dem siegreichen Nur ad-Din von den Damaszenern als Geisel übergeben worden. Bertran musste elf Jahre als Gefangener in der Zitadelle von Aleppo schmachten, bis endlich der junge König Balduin von Jerusalem ein Einsehen hatte und ihn auslöste. Seine Schwester Beatriz jedoch blieb freiwillig und für immer in Aleppo zurück als Konkubine des Emirs, dem sie mehrere Kinder gebar.
    Und was hat die Menschheit aus all diesen Dingen gelernt? Wie immer ist die Antwort – wenig bis nichts. Abt Bernard de Clairvaux behauptete weiter stur und fest, es seien allein die Sünden der Christen gewesen und die Rückschläge nichts als die gerechte Strafe Gottes. Dafür heiligten sie ihn nur wenige Jahre nach seinem Tod. Und der nächste König, der auszog, um Heiden zu töten, war niemand anderer als Alienors eigener Sohn Richard, den sie Löwenherz nennen sollten.
    Trotz der strengen Herrschaft der Kirche wurden im Süden des Frankenreichs der Ketzer immer mehr. Den
Guten Christen,
die wir heute Katharer nennen, strömten die Menschen in Scharen zu. Selbst Fürsten wie der neue Graf von Tolosa, Alfons’ ehelicher Sohn Raimon, sollten die neue Glaubensrichtung und ihre vielen Anhänger unterstützen. Es ging so lange, bis der Hass Roms und die Landgier des Königs sich vereinigten und man einen Kreuzzug gegen das eigene Volk ausrief. Hunderttausende starben, Burgen und blühende Städte wurden zerstört. Es sollte das bis in unsere Zeit spürbare, tragische Ende der reichen höfischen Kultur des Südens bedeuten. Man kann sich vorstellen, was unser alter Freund Hamid, der wie sein syrischer Dichter Al-Ma’arri nicht viel von Religionen hielt, dazu gesagt hätte. Doch diese Dinge hat er zum Glück nicht erleben müssen.
    Zuletzt bewegt uns natürlich noch eine brennende Frage. Was ist aus den Helden unserer Geschichte geworden?
    Zunächst sei der Graf von Tripolis erwähnt, der für Bertrans Schicksal verantwortlich gewesen war. Er zerstritt sich bald immer mehr mit seiner Gemahlin Hodierna. Und eines Tages wurde er unverhofft in den Straßen von Tripolis überfallen und ermordet. Es sollen eindeutig
Haschischin
gewesen sein, doch wer hatte den Auftrag erteilt und warum? Ein Gerücht hielt sich hartnäckig über viele Jahre. Es habe sich um einen Racheakt gehandelt, von langer Hand geplant, und dahinter stecke eine türkische Dame von edlem Blut aus Nur ad-Dins Geschlecht.
    Wenig später ereignete sich ein weiterer rätselhafter Vorfall, diesmal in Jerusalem, denn eines Morgens fand man in einer Gasse einen gewissen Josselin de Puylaurens, enger Vertrauter der Königin, mit durchschnittener Kehle in seinem Blute liegen. Auf die Stirn des Opfers hatten die Mörder das Wappenkreuz von Tolosa eingeritzt. Auch dies eine Tat der Rache?
    Schließlich, eines späten Abends im Frühsommer 1150 ,
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