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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle
Autoren: Brigitte Riebe
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Stimme passte dazu, weicher geworden durch eine fremdartige Färbung, die er wohl seinem langen Aufenthalt im Süden verdankte. Wie gemacht schien sie zum Werben, zum Schmeicheln und Kosen. Aber er konnte auch fluchen und losbrüllen, wenn ihm etwas nicht passte, und das tat er nicht weniger selbstbewusst.
    Keiner hatte je solche Empfindungen bei ihr ausgelöst – nicht mehr, seit Adam nach Italien geflohen war.
    Marie hatte sich einzurichten gewusst, nachdem ihrJugendtraum ein so jähes Ende gefunden hatte. Schließlich gab es als Tochter des Braumeisters und Ratsherrn Pankraz Haller genug zu tun. Und je mehr Zeit verstrich, desto deutlicher zeigte sich, dass der Vater alles andere als unglücklich über diese Entwicklung war. Sie war sein einziges Kind, das nach dem frühen Tod der Mutter alles für ihn wurde. Halb Bamberg zerriss sich das Maul darüber, dass er Marie beinahe wie einen Sohn behandelte.
    Vater und Tochter scherten sich nicht darum. Ihm half es, dass er sie an seiner Seite wusste, und sie genoss die Freiheiten, die damit verbunden waren. Nicht einmal das Älterwerden hatte sie gestört. Und auch nicht besonders, dass sie als Einzige ledig blieb, wo doch inzwischen jede aus dem Kreis ihrer einstigen Freundinnen unter der Haube war.
    So nah waren sie sich, so verbunden, dass oft ein Blick, eine Geste genügten. Sie sagten sich, was sie dachten. Ohne Scheu, ohne Zurückhaltung. Deshalb überraschte Marie es auch nicht, als Pankraz das Werben Veit Sternens direkt ansprach.
    »Dass er dich will, ist nicht zu übersehen«, sagte er eines Abends zu ihr, als die letzten Gäste endlich gegangen waren. »Aber was ist mit dir? Bist du nur geschmeichelt, mein Kind? Oder brennst du auch?«
    »Ich mag ihn«, sagte sie vorsichtig, plötzlich auf der Hut. »Die Leute sagen, er sei ein großer Künstler.«
    »Das klingt ziemlich lau für meine kluge Tochter. Denn nicht die Leute werden das Bett mit ihm teilen, sondern du«, war seine unverblümte Entgegnung. »Du liebst ihn also, diesen welschen Sternen?«
    »Ich will seine Frau werden, wenn du das meinst.«
    »Vergiss nicht, er hat schon ein ganzes Leben hinter sich, unten in Neapel. Ein Leben, von dem du nichts weißt. Du kennst nur Bamberg. Den Storchenbräu. Und deinen alten Vater, der ohne dich sehr einsam sein wird.«
    Bei seinen Worten stand Adam Thies wieder vor ihr, der Gastwirtssohn vom benachbarten Blauen Löwen , mit dem sie ihre Jugend verbracht hatte. Sie dachte an die scheuen Küsse, die sie am Fluss getauscht hatten, beide noch halbe Kinder. Sie mochte, wie er lachte. Wie er sich bewegte. Und sie liebte seinen wachen Geist, hörte gern und aufmerksam zu, wenn er ihr von seinen Studien bei den Jesuiten erzählte.
    Bis zu jenem Abend, wo er ihr heimlich auf den Stephansberg gefolgt war. Was sie im Felsenkeller geredet hatten, zwischen den ordentlich gestapelten Bierfässern ihres Vaters, wusste Marie nicht mehr. In ihrer Erinnerung gab es nur Haut und Hände und einen jähen Schmerz, als er plötzlich von ihr abgelassen hatte.
    Das war ihr Leben, das bereits hinter ihr lag wie eine bleischwere Ewigkeit, und sie würde es weiterhin für sich behalten, wie sie es schon so lange tat.
    »Seine Frau ist tot«, sagte sie. »Sie liegt in ihrer Heimat begraben. Er hat sie geliebt. Und jetzt ist er zurück in Bamberg – und liebt mich.«
    Italien hatte ihr einen Geliebten genommen. Jetzt gab das fremde Land ihr dafür einen anderen zurück, ausgerechnet jetzt, wo sie längst aufgehört hatte, noch damit zu rechnen. In ihren Augen eine Art ausgleichende Gerechtigkeit.
    »Er ist gewohnt, zu bekommen, was er möchte, egal, was es ist. Männer wie er ändern sich niemals. Jetzt will er dich, die Erbin des Storchenbräus. Was aber, wenn er irgendwann seine Meinung ändert? Was wirst du dann tun – seelenruhig dabei zusehen, wie er um eine andere buhlt?«
    »Mein Erbe spielt doch gar keine Rolle, Vater! Veit ist einsam. Das hat er mir gesagt. Und er ist kein armer Mann. Warum also sollte ich ihm misstrauen? Außerdem hat er zwei Kinder, die eine neue Mutter brauchen.«
    »Ein Erbe wie deines spielt immer eine Rolle, Marie! Und auch die Mitgift, die du erwarten kannst. Ich dachte, wenigstens das hätte ich dir beigebracht. Betrachte die Angelegenheit doch einmal nüchtern: Sternen ist nicht arm, aber zu Reichtum wird ein Holzschnitzer wie er niemals gelangen. Also verbindet er das Angenehme mit dem Nützlichen: Er hält Ausschau nach jemandem, der ihm künftig die
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