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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle
Autoren: Brigitte Riebe
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nicht gesehen, was sie draußen alles angerichtet haben? Man sagt, der ganze Wein sei schwarz, am Stock verdorrt. In einer einzigen Nacht. Das ganze Korn erfroren – weit und breit.«
    Der Braumeister schien ihn nicht zu hören. Der Gerstenvorrat war ausreichend. Eine Teuerung konnte ihn nicht schlimm treffen. Aber was war mit dem Hopfen? Seit Jahren schon bezog er ihn vor allem aus dem böhmischen Saaz; er hatte die stabile Qualität der gelblich grünen Dolden zu schätzen gelernt. Doch seitdem er darauf hoffen konnte, in absehbarer Zeit Hoflieferant zu werden, hatte er aus taktischen Gründen auch bei Bamberger Hopfenbauern gekauft. Und sie mussten ebenso von dem Kälteeinbruch betroffen sein.
    »Braumeister?« Schneiders Stimme klang besorgt. »Ist etwas mit dir?«
    »Nein. Nichts. Gar nichts.« Alles würde sich fügen. Wer so umsichtig zu wirtschaften wusste wie er, fand immer eine Lösung. »Du hast doch die Hefe verwendet, die ich dir angeschafft habe?«
    Plötzlich vermisste er Marie. Alles hatte er mit ihr besprochen und beraten; manchmal hatte es schon geholfen, wenn er seiner Tochter einfach nur sagen konnte, was ihn bedrückte. Keine zweihundert Schritte trennten die Lange Gasse, wo sie mit ihrem Mann wohnte, vom Oberen Sand, wo sein Brauhaus stand. Und dennoch kam es ihm vor, als lebten sie in zwei verschiedenen Welten, seitdem aus seinem Mädchen die Frau von Veit Sternen geworden war.
    »Ja. Natürlich. Ich habe ganz genau abgemessen. Fünfzehn Maß auf ein Gebräu von dreißig Eimern.«
    Pankraz Haller war schon beim nächsten Punkt.
    »War jemand außer dir hier? Jemand, der sich vielleicht unbemerkt Eintritt verschafft haben könnte?«
    »Niemand. Zumindest kein menschliches Wesen«, verteidigte sich Schneider. »Der Schlüssel hängt an meiner Schürze. Immer.« Er dämpfte seine Stimme. »Aber du weißt ja, dass ich nicht gerne hier unten bin. Diese langen unterirdischen Gänge …«
    »Was soll das Gerede? Wir Brauer profitieren am meisten von den Kellern unter der Stadt. Also hör auf damit. Irgendetwas muss den Gärvorgang gestört haben. Aber was könnte das sein?«
    Haller tauchte einen Becher hinein, schöpfte ihn halb voll und hielt ihn seinem Gesellen unter die Nase.
    »Es könnte am Transport liegen, an Temperaturschwankungen, an der Lagerung – an irgendetwas, was wir noch nicht wissen. Es gibt eine logische Erklärung dafür. Davon bin ich überzeugt. Wir müssen sie nur finden.«
    Schneider wich zurück.
    »Die Druten. Ich sag es dir doch. Und sie haben uns auch die Kälte beschert, dieses elende Hexenpack!«
    »Mein Namensvetter Pankratius ist ein strenger Herr. Vielleicht hat er sich mit seinen eisigen Brüdern dieses Jahr einfach nur um ein paar Tage verspätet. Nein, unser Bier …«
    »Lebendige Kröten werfen sie heimlich in den Sud«, fiel Schneider ihm ins Wort. »In Würzburg hat man sie dafür ins Feuer geschickt. Hast du nicht die Predigt am letzten Sonntag in Sankt Martin gehört? Dagegen kann nicht einmal der heilige Laurentius etwas ausrichten«, seine Hand fuhr zum Amulett, das er um den Hals trug, »geschweige denn ein Stück geweihte Kreide im Kessel …«
    Pankraz Hallers Gesicht färbte sich rot.
    »Davon wirst du schön die Finger lassen! Im Storchenbräu ist kein Platz für solchen Aberglauben. Sauberkeit, Genauigkeit und Fingerspitzengefühl, das sind meine Zauberworte. Und wer sich nicht daran hält, hat in meinen Diensten nichts verloren. Hast du das endlich kapiert?«
    »Ja. Natürlich.« Er klang jämmerlich. »Aber was soll nun damit geschehen?«
    »Wir fangen noch einmal an. Aber wir werden uns beeilen müssen. Wenn wir das Sommerbier nicht bald in die Eiskeller schaffen, haben wir nichts mehr zu verkaufen, wenn es warm ist.« Haller wirkte gelassen, auch wenn er es nicht war. »Ich muss zu einer Sitzung ins Ratshaus. Du lässt inzwischen beim Müller das Malz mahlen und bereitest einen neuen Sud vor. Sobald ich zurück bin, übernehme ich die Aufsicht.«
    »Um dort den Druten für alle Zeiten das Handwerk zu legen?« Schneiders Tonfall war erwartungsvoll.
    »Unsinn! Die Stadt braucht Geld. Und der Rat muss sehen, wo er es herbekommt. Die auswärtigen Schiffer werden es sich künftig mehr kosten lassen müssen, unseren Hafen anzulaufen. Unser Fürstbischof kommt uns teuer. Seine Treue zur Katholischen Liga lässt er sich am liebsten mit blankem Gold aufwiegen.«
    »Warte. Geh noch nicht!« Schneider hatte ihn am Ärmel gepackt. »Mir ist gerade etwas
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