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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse
Autoren: Pamela Freeman
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als offener Hass es vermocht hätte. Eine Welt, in der Wanderer willkommen waren, kannte er nicht.
    An der südlichen Seite des Marktplatzes befand sich ein großes Gasthaus, doch Cael steuerte eine wesentlich kleinere Herberge in dessen Nähe an.

    Entgegen Safreds Rat war Ash nicht daran interessiert, noch zu Abend zu essen. Sie hatten sich auf ihrem Zimmer eingerichtet, und Bramble schlief fest auf einem Bett in der Ecke.
    »Du hast es gehört. Sie hat mit … der Stimme der Toten gesungen.« Er setzte sich mit den Ellbogen auf den Knien auf die Bettkante. Seine Hände baumelten herab.
    Martine schaute ihn mit Zuneigung und leichter Besorgnis an. »Nun, sie ist eine echte Heilerin, eine Prophetin, ein Sprachrohr der Götter.«
    »Aber die Stimme der Toten! Das ist meine Stimme, die Stimme, mit der ich singe! Könnte ich … könnte ich auch ein Heiler sein? Sie hat meine Kraft genommen, sie hat sie benutzt.«
    »Wenn du diese Gabe besäßest, würdest du es mittlerweile wissen, denke ich«, sagte sie sanft. »Abgesehen davon hätte Doronit es herausgefunden.«
    Bei der Erwähnung von Doronits Namen zuckte Ash ein wenig zusammen. Sie hatte ihn zur Schutzwache ausgebildet, und er hatte vorgehabt, sich auf diese Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen, da dies die einzige Fähigkeit war, die er erlernt hatte. Doch nun musste er sich die Frage
stellen: Wer war er eigentlich? Ein Heiler? Ein Zauberer? Oder bloß jemand mit ein wenig seherischen Fähigkeiten, welche die Quelle der Geheimnisse benutzen konnte?
    »Die Quelle der Geheimnisse hat gesagt, du musst etwas essen«, erinnerte ihn Martine.
    »Aber warum?« Seine Stimme schwoll an wie die eines kleinen Jungen, und er errötete. Jede Botschaft von Safred klang schicksalhaft und irgendwie bedrohlich.
    »Ich glaube nur, weil sie vorhergesehen hat, dass du ein wenig … verwirrt sein würdest, und weil sie wollte, dass du für dich sorgst.«
    »Heißt das, sie wusste, was ich tun würde?«
    Martine schüttelte den Kopf. »Nein. Bestimmt nicht. Sie wirkte überrascht, als du vorgetreten bist. Ich glaube nicht, dass sie es gewohnt ist, Hilfe zu bekommen, schon gar nicht starke Hilfe.«
    Er errötete. Um es zu verbergen, bückte er sich und machte sich an seinen Stiefelschlaufen zu schaffen.
    »Komm mit runter und iss etwas«, sagte Martine, als habe sie es nicht bemerkt.
    Aus der Küche drang der Geruch von frischem Fisch nach oben. Ash lief das Wasser im Mund zusammen, und plötzlich hatte er Hunger.
    »Ich habe einen Bärenhunger. Komm und iss«, sagte sie erneut, und dieses Mal folgte er ihr.

    Als sie sich unten an den Küchentisch setzten, war es draußen stockdunkel, und die anderen Gäste hatten längst gegessen. Die Frau des Hauses, eine junge, schielende Rothaarige namens Heron, die jene Brosche trug, die Witwen in der Last Domain ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes bekamen, bediente sie.
    Heron setzte sich zu ihnen, nachdem sie ihnen das Essen
serviert hatte, und wärmte sich an einer Tasse Tee die Hände. Ash aß gedankenlos und ohne es wirklich wahrzunehmen.
    »Heron«, sagte Martine. »Das ist ein ungewöhnlicher Name für eine Rothaarige. Und Vole haben wir ja schon kennen gelernt.« Auch Ash war neugierig, was das betraf, und er hoffte, dass die Frau daran keinen Anstoß nahm.
    »Viele hier in der Last Domain haben jetzt Wanderernamen«, sagte Heron ganz entspannt. »Ich hieß ursprünglich Freyt, aber meine Eltern haben vor gut zwanzig Jahren von den Valuern gelernt und mir einen neuen Namen gegeben.«
    Martine konnte ihre Überraschung nicht verbergen.
    »Wusstet ihr das nicht?«, meinte Heron, ihrerseits überrascht. »Hier in der Gegend sind die meisten von uns Valuer. Deswegen ist es hier sicher. Sie ist nämlich eine von uns. Als Valuer erzogen, obwohl ihr Vater ja ein Kriegsherr war.«
    Sie nickten. In allen Domänen wusste man, dass der Vater der Quelle der Geheimnisse ein Kriegsherr gewesen war. Allerdings gab es unterschiedliche Gerüchte darüber, um wen genau es sich handelte. Mehr als ein Kriegsherr hatte wissend gelächelt, als man ihn danach gefragt hatte. Keiner von ihnen wollte es abstreiten, nicht einmal jene, die zu der entsprechenden Zeit angeblich glücklich verheiratet gewesen waren.
    Ash erkannte, dass dies der Grund für die sonderbare Normalität in Oakmere war. Nur in einer Stadt der Valuer würde man die außergewöhnlichen Kräfte einer Quelle der Geheimnisse in einem gewöhnlichen Haus unterbringen. Nur in einer Stadt der
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