Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse
Autoren: Pamela Freeman
Vom Netzwerk:
freizulegen, die verborgenen Inseln, auf denen sie vor Überfällen geschützt waren. Wenn das Schilfbett niedergebrannt war, würde Thegan über den ganzen See hinweg sehen können, direkt in das Herz seines Geheimnisses hinein.
    Leof gab seinen Leuten Befehle, doch diese waren gar nicht wirklich notwendig. Es handelte sich um erfahrene Männer, mindestens die Hälfte von ihnen stammte aus der Cliff Domain, und die meisten von ihnen hatten schon in vergangenen Feldzügen mit ihm gekämpft. Thegan hatte die Cliffsoldaten mit Leuten aus der Central Domain gemischt und dafür gesorgt, dass in der Schlacht gestählte
Männer an der Seite von unerfahrenen standen. »Damit es niemand mit der Panik zu tun bekommt, wenn der erste Pfeil fliegt«, hatte er gesagt und Leof zugenickt. Das war der Moment gewesen, in dem Thegan ihm vergeben hatte und ihn wieder wie einen getreuen Offizier behandelte. Thegan hatte ihn zum ersten Mal wieder angelächelt, seit Leof Thegans Bogenschützen daran gehindert hatte, Bramble bei deren Flucht aus Sendat in den Rücken zu schießen. »Gut, dass ich auch erfahrene Offiziere habe«, hatte er gesagt und ihm auf die Schulter geklopft. Leofs Erleichterung war gewaltig gewesen.
    Leof verdrängte den Gedanken und konzentrierte sich darauf, diesen Einsatz für seinen Herrn zum Erfolg zu führen. Die Bogenschützen stellten sich ein kleines Stück vom Ufer entfernt auf und bestückten ihre Bögen mit Pfeilen. Broc, ein Junge, der kaum alt genug zum Kämpfen war, rannte mit einer lodernden Fackel an der Linie entlang, entfachte jeden Pfeil und trat dann ein gutes Stück von den Pferden zurück, damit keines von ihnen durch die Flammen erschreckt wurde.
    Leof hob die Hand und ließ sie wieder fallen, und auf dieses Zeichen hin flogen die Pfeile leuchtend wie Sternschnuppen in die Luft und dann in die Schilfbetten. Es war ein wunderschöner Anblick, die hellen Flammen, die sich von dem noch immer dunklen Himmel abhoben. Gespannt warteten sie auf das, was nun passieren würde, warteten darauf, dass das Schilf Feuer fing, darauf, dass die Flammen sich züngelnd in den Himmel erhoben.
    Zunächst schien es so, als geschehe gar nichts. Die Feuerpfeile brannten in dem Schilf und warfen dabei zuckende Schatten. Langsam, ganz langsam fing das Schilfgras Feuer. Leof wappnete sich gegen die Antwort des Sees. Lord Thegan hatte ihn dazu ermahnt, Trugbildern gegenüber standhaft
zu bleiben. Auch Leof hatte seine Leute entsprechend vorgewarnt, und sie waren bereit.
    Aus dem See drang ein tiefes Zittern, und das ruhige Wasser zwischen dem Schilf fing an zu flüstern wie eine sich rasch bewegende Strömung. Leof merkte, dass die Erde unter ihm bebte. Sein Pferd bäumte sich auf, und nur seine langjährige Erfahrung aus Jagdrennen versetzte ihn in die Lage, im richtigen Moment abzuspringen. Thistle riss ihm die Zügel aus der Hand und ging durch. Die anderen Berittenen hinter ihm fielen von den Pferden, als diese sich ebenfalls aufbäumten und dann in den Wald davonstürmten. Verwirrt wichen die Bogenschützen vom See zurück. Dann ertönte von jenseits des Schilfs ein lautes, zischendes Brausen wie Wind durch Bäume, wie Atem durch riesige Lungen. Es kam näher, und es war kein menschlicher Laut. Der Trupp der Bogenschützen löste sich auf, und auch sie flohen nun in den Wald, gefolgt von den Berittenen, von denen einige hinkten. Nur Leof blieb auf seinem Posten, dazu hinter ihm Broc, seine Fackel umklammernd.
    »Was ist das, Herr?«, fragte er.
    Das Geräusch wurde zu laut, als dass er eine Antwort hätte geben können. Eine Täuschung , dachte Leof, damit wir weglaufen. Ich vertraue meinem Herrn. Es ist bloß Einbildung . Vor ihm, aus dem Dunkeln, wogte eine riesige, sie überragende Welle heran. Broc schrie auf und rannte davon, wobei er die Fackel fallen ließ.
    Einbildung , redete Leof sich ein, unmittelbar bevor die Welle über ihm zusammenschlug.

Bramble
    Die Zimmerdecke war dunkelgrün und mit Holzbalken versehen. Eine grüne Decke hatte Bramble noch nie gesehen. Sie war so müde und hungrig wie noch nie in ihrem Leben, und in einem Zimmer mit einer grünen Decke aufzuwachen verwirrte sie.
    Dann kam die Erinnerung zurück, und sie krümmte sich zu einem Häufchen Elend zusammen, den Kopf an die Knie gezogen, bemüht, nichts und niemand an sich heranzulassen. Maryrose. Maryrose war tot.
    Sie lag da und zitterte. Sie war erneut gestorben, nur dass es dieses Mal ihr Körper gewesen war, der gestorben war. Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher