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Die Hosen Des Herrn Von Bredow

Titel: Die Hosen Des Herrn Von Bredow
Autoren: Willibald Alexis
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war es wie auf dem Hofe. Kein Trampeln, kein Wehen, kein Gehen. Mit dem Degenknauf stieß er an die Thüren; keine Antwort. Er stieß eine und die andere auf; die Betten standen unberührt. Herr Gottfried war und blieb in einer sehr unangenehmen Lage. Er fror nicht allein und fing nicht allein an zu hungern, sondern er fand sich in der Nothwendigkeit, über seine besondere Lage nachdenken zu müssen.
    Sein Schlachtschwert mit der Spitze auf die Diele stützend, stand Herr Gottfried da und wollte denken, als der Hauskater plötzlich die Treppe herauf- und an ihm vorbeihuschte, im Maule ein gebratenes Huhn. Wo das ist, ist mehr, dachte Herr Gottfried, und ehe er wußte wie, stand er in der Halle. Da war freilich auch kein lebendiges Wesen, still war es wie in der ganzen Burg, auf dem Heerde glimmten nur noch wenige Kohlen; aber so unheimlich war es Herrn Gottfried doch nicht, denn die ordnende oder schaffende, oder kürzer, die anrichtende Hand des Menschen war sichtbar.
    Der große Tisch stand gedeckt, als warte er nur auf ihn. Sogar sein Lehnstuhl mit dem Lammfell darüber war zurecht geschoben. In der Mitte prangte ein ungeheurer Ochsenschinken, daneben Schüsseln mit, Würsten, gesäuerte Gänse, Backwerk, Brod, Käse, ein Topf mit Butter, Körbe mit Rüben, Aepfeln, Birnen: dazu getrocknete Pflaumen, hart gesottene Eier, und was nur die Speisekammer einer guten Burgwirthschaft aufweisen kann. Und neben den Eßwaaren ein Krug Bier, eine Flasche Meth, und noch ein Kelchglas zum Wein. Auch brauchte Herr Gottfried nicht lange umher zu suchen, bis er das ganze Fäßchen mit Malvoisir auf der Bank sah, mit eingeschraubtem Hahn und das Näpfchen darunter.
    Alles mußte schon lange dastehen, ohne daß eine Hand daran gerührt hatte. Die kleine Unordnung, die sich nicht verbarg, kam offenbar nur von Katzenpfoten her, und als Herr Gottfried zwei freundliche Thiere an den Wänden Buckel machen sah, und ihre Augen schielten wieder auf den Tisch, hielt er dafür sogleich Platz zu nehmen, denn der Tisch war unstreitig für Menschen, nicht für Katzen gedeckt.
    Um deshalb schlang er sich rasch das Tüchlein um den Hals und ergriff das große Messer, um an die Arbeit zu gehen, die ihm nur insoweit schwer ward, als er einen Augenblick unschlüssig war, ob er zuerst die Gans, oder zuerst den Schinken ergreifen solle. Wie dem nun sei, es mochte eine kleine Stunde vergangen sein, in der Herr Gottfried sich recht wohl fühlte, weder Gespräche noch Gedanken hatten ihn gestört, als er einen Augenblick sich zurücklehnte, und die Rechte mit dem Messergriff auf den Tisch stützte, nicht um aufzuhören, sondern um, was man in Hohen-Ziatz nannte – zu verpusten.
    Der Bierkrug war leer, die Flasche Meth schon durchsichtig; sein Auge blinzelte nach dem Fäßchen Malvoisir: »Hübsch wär' es doch, wenn das zu mir käme; dann brauchte ich nicht aufzustehen!« Warum mußte das Herr Gottfried denken! Denn ein Gedanke lockt den andern; das ist eine furchtbare Wahrheit, gegen die alle Klugheit und Macht sich vergebens sträubt. – Warum kam das Malvoisirfäßchen nicht zu ihm? – Weil es auf der Bank stand. – Warum stand es auf der Bank? – Weil sie es dahin gestellt hatten. – Wer hatte es dahin gestellt? Die Hexen? Die kleinen Leute oder wer sonst? – Wie eine Bezauberung sah das Ganze freilich aus! – Aber Herr Götz war nie bezaubert gewesen. – Hatte er ein Gebet vergessen? Hatte er eine Sünde begangen? Oder war alles ein Traum? Er wollte die freie Hand auf's Herz legen, aber sie glitt unvermerkt auf den Magen. – Nein, das war kein Traum gewesen. Auf die harten Eier wollte er ja eben den Malvoisir setzen. Halb öffnete sich sein Mund, und in seine Augen trat das Weiße, das ein Zeichen plötzlichen Schreckens ist. »Blitz noch ein Mal«, brach es von seinen Lippen, »das ist nun zu spät!«
    »Noch nicht zu spät!« rief eine dumpfe Stimme, und eine Gestalt trat vor den Ritter, die alle Wärme, so Bier und Meth hervorgerufen, wieder erstarrte. Weiß eingehüllt, weißen Gesichtes stand das Gespenst vor ihm, in dem Herr Gottfried, erst nachdem es ausgesprochen, seinen Neffen erkannte.
    »Noch nicht, Ohm, aber bald.«
    Dem Ritter entfiel das Messer.
    »Der Tropfen rinnt in's Meer, die Augenblicke und Stunden fließen in die Ewigkeit; wer schöpft den Tropfen zurück, wer faßt den verlorenen Augenblick! Es wird zu spät werden, aber Heil dem, der noch die Zeit erfaßt.«
    »Junge bist Du's?« Ach, Herr Gottfried war so froh, als
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