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Die Hosen Des Herrn Von Bredow

Titel: Die Hosen Des Herrn Von Bredow
Autoren: Willibald Alexis
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begegnen, und auch wohl Manchen von denen, die uns hier lieb geworden oder auch nicht lieb. Es ist eine Reise, die wir antreten, mit einem Ziele, das noch fern liegt, durch Jahre getrennt, und dahin zu gelangen war und ist uns ernster Wille, aber es ist nicht immer gut, daß man eine lange Reise in einem Zuge vollende. Doch auch jeder Abschnitt einer Reise muß sein Ziel haben, und an dem stehen wir jetzt. Ja wir sind eigentlich schon eingekehrt, der Vorhang vor den großen Begebenheiten ist gefallen, die Helden sind abgetreten, die Könige haben ihre Staatskleider abgelegt, es sind nur noch einige Kleine, deren Geschicke zwar in allen Zeiten von dem Geschicke der Großen gelenkt worden, die große Geschichte streift hochmüthig an ihnen vorüber, aber die Dichtung kost dafür mit ihnen und weilt aus Eigensinn, vielleicht aus Widerspruchsgeist, desto emsiger bei ihren Heimlichkeiten.
    Die Sonne war schon hoch aufgestiegen, und blickte schon tief in die Höfe von Hohen-Ziatz, ohne daß ein Rauch aus den Schornsteinen ihr entgegen wirbelte, ohne daß ein frommer Morgengesang sie grüßte, oder der derbe Fluch eines Knechtes. Selbst die Hunde kläfften nicht, nur die Katzen heulten, nur die Tauben flatterten auf den Dächern, und das Federvieh ward unruhig auf dem Hofe. Es war aber nicht dieselbe Sonne, welche vor Hans Jürgen durch die Wolken brach, als er durch die Köpnicker Haide auf dem keuchenden schweißbedeckten Rosse jagte, noch die, welche die gräßlichsten Schauspiele vor dem Thore beschaute, von dessen Firste später der Kopf des unglücklichen Ritters starrte, ein Schauspiel, vor dem schnell sie vorübergeführt zu haben, meine Leser mir verzeihen, vielleicht danken werden. Die Sonne geht schneller auf über große Dinge, langsamer weilt sie bei den Alltagsdingen. Wir müssen zurück bis zu dem Morgen, welcher der Nacht folgte, wo die Burgfrau mit den Ihren heimlich nach Golzow entwich.
    Es mochte schon nahe an Mittag sein, als der Sonnenstrahl durch eine der runden, grünen Fensterscheiben grade auf Herrn Gottfrieds Nase fiel. Und plötzlich, entweder weil es ihn brannte oder kitzelte, als der riesenhafte Mann aufschnellte, mit einer Schwungkraft, die wir ihm kaum zugetraut hätten. Fortflog alles über und unter ihm, und er selbst, aufrecht stand er im Zimmer, dessen Decke er mit den Armen streifte, als er sie nur mäßig reckte. Aber gleich darauf fuhr er an die Nase und den Schnurrbart, was der Vermuthung Raum giebt, daß die Scheibe als Brennglas geschliffen gewesen, und der Bart ihm etwas angesengt war. Es mußte ihm indeß schon früher begegnet sein, denn er gerieth nicht gar zu sehr außer sich, sondern brummte nur: »Wieder die verfluchte Hexe, die! –« Im nächsten Augenblick aber erblaßte er, er hielt beide Arme vor sich, und sah nichts, er griff nach dem Kopfkissen, und sah nichts; er warf Pfühle, Kissen, Decken, selbst das Stroh hinaus, und fand nichts. Er rieb sich den Kopf, ob er noch träume, aber er träumte nicht: »Ach Du mein Gott, ich muß ja fort!« – Das Echo der Wände rief: »Fort.« – »Sie sind fort!« murmelte er.
    Er riß das Fenster auf. Wie er auch schrie: »Brigitte! Kaspar!« ihm antwortete nur der Flügelschlag der Tauben. Was, war das! Wo verkrochen sie sich? Er zwängte den großen Leib so weit es ging, durch das enge Fenster, aber er sah auch da nichts als einen ausgestorbenen Hof, eine fürchterliche Stille. Warum rauchte es nicht aus dem Stalle? Wo war der Nimrod an der Kette geblieben? Die Kette lag da mit dem leeren Halsringe. Auch die Muttersau, die er immer Morgens zuerst sah an dem Eichenpfahl sich schuppern, schupperte sich nicht. Er strengte sein Ohr an. Nur zuweilen schienen dumpfe Töne aus der Erde zu dringen. Nun schloß er den geöffneten Mund ohne einen Laut. Wer schreit gern in solche Einsamkeit hinein? Es überieselte ihm die Haut; das mochte aber nicht allein die Furcht, es konnte auch die Kälte des frischen Novembermorgens sein, und er stand da, fast wie Gott ihn geschaffen. Er konnte nicht dafür.
    Da überkam ihn eine Wuth. Irgendwo mußte es sitzen und an der Wand hing sein Degen. Er riß ihn aus der Scheide, und mit dem blanken Schlachtschwert in der Hand war er schon im Begriff, hinunter zu stürzen, als ihm noch glücklicher Weise die große Tiroler Decke zu Gesicht kam. Die schlang er um sich, doch daß der Arm frei blieb, und vielleicht einem römischen Imperator vergleichbar, stieß Herr Gottfried die Thür auf.
    Auf Flur und Treppe
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