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Die Horden der Schattenzone

Die Horden der Schattenzone

Titel: Die Horden der Schattenzone
Autoren: Horst Hoffmann
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geschmeidig, flink und schnell. Sein Körper war der eines Zwerges, mit Armen und Beinen und dem für ihn viel zu großen, kahlen Kopf mit den beiden großen Spitzohren, der langen schmalen Nase, dem vorspringenden breiten Mund und den großen roten Augen, die keine Lider besaßen und daher nie geschlossen werden konnten.
    Mythor ertappte sich immer wieder bei der Frage, ob Robbin überhaupt einen einzigen Knochen im Leib hatte, wenn er sich drehte und bog. Dieser ganze dürre Körper war mit dünnen Banden umwickelt, die nur den Kopf, die Hände und die Füße freiließen. Inzwischen wußte der Sohn des Kometen, daß sich unter der grauen Haut hochempfindliche Tastsinne befanden. Robbin besaß die Gabe des besonderen Sehens, Hörens, Riechens und Erspürens der Umgebung. Er war in der Lage, Dinge wahrzunehmen, die anderen verschlossen blieben.
    Und doch wirkte er hier wie ein Blinder in seiner Welt.
    Er hatte lange gebraucht, bis er sich selbst völlig darüber im klaren war, wohin sie die Wucht der berstenden Hermexe geschleudert hatte.
    Noch länger hatte sich Mythor dagegen gesträubt, Robbins Aussage anzuerkennen, die nur in einem kurzen Satz bestand.
    Sie befanden sich weder auf dem Hexenstern, wo Mythor in die Hermexe gelangt war, noch an irgendeinem anderen Ort auf Vanga oder Gorgan – nicht einmal in der Dämmer- oder Düsterzone.
    Mythor biß die Zähne zusammen und hob Fronjas geschwächten Körper auf seine Arme. ihre Hände klammerten sich dankbar um seinen Hals, als er dem entschwindenden Pfader eilig durch die finsteren Nebel folgte.
    »Dies«, hatte Robbin verkündet, »ist die Schattenzone.«
    Das Reich der Dämonen. Ein Brodem aus Pestgestank und Finsternis, Staubschleiern, Irrlichtern und dahinziehenden Himmelssteinen. Der dunkle Nabel der Welt, von dem aus die Finstermächte sich anschickten, Gorgan und Vanga mit Kälte und Tod zu überziehen.
    Und sie steckten mittendrin, wehrlos den Fratzen und Klauen ausgeliefert, die sich aus den Nebeln bildeten und ihr höhnisches Gelächter über das lichtlose, tote Land schickten, in dem Menschen nichts verloren hatten.
*
    Das Versteck, in das Robbin sie brachte, glich einem Felsspalt, wenngleich Mythor beinahe eher geneigt war, es als eine Mauerspalte anzusehen. Denn hier, in dieser sich ständig verändernden Umwelt, schien eines Bestand zu haben: Alles war riesig, ins Gigantische verzerrt.
    Es gab keine kleinen Geröllsteine, sondern nur turmhohe Felsen, die auf einer unbewachsenen, endlosen Ebene lagen. Es gab keine Risse in dieser Ebene, sondern nur tief klaffende Schluchten und unüberwindliche, schroffe Erhebungen, die sich im düsteren Wallen verloren.
    »Wir sind in der Schattenzone gelandet«, hatte Robbin erklärt. »Aber fragt mich nicht, wo. Ich kenne die Schattenzone wie meine Bandagen, aber noch nie hörte ich von einem Land des Riesenhaften wie hier.«
    Mythor hatte sich bislang dagegen gesträubt, sich die Bewohner dieses Landes vorzustellen. Nun aber, nach Robbins geheimnisvollen Andeutungen, schien die erste Begegnung mit ihnen unmittelbar bevorzustehen.
    Noch war nichts zu hören außer dem Jaulen und Heulen von Winden oder Dämonen. Die Klänge waren zu fremd und zu gräßlich, um sagen zu können, wer oder was sie nun wirklich verursachte.
    Die Spalte war tief genug, um allen dreien Unterschlupf zu bieten. Mehr als zehn Fuß tief reichte sie in das Gestein hinein, dessen Poren so groß wie Männerfäuste waren.
    Mythor drückte Fronja sanft an sich und strich ihr voller Zärtlichkeit über das schulterlange, goldgelbe Haar.
    Sie wird ihre Schönheit zurückerlangen, sagte sich der Sohn des Kometen. Gewisse Anzeichen für diese Hoffnung glaubte er bereits entdeckt zu haben, als er ihren Schleier zum letztenmal hob.
    Mythor wünschte sich, daß sie an seiner Schulter wenigstens für eine Weile Schlaf finden würde. Nicht nur körperlich war sie noch ausgezehrt. Die Wunden in ihrem Geist bedurften ebenso Zeit, um zu heilen.
    Sie hatten sich ganz in den Spalt zurückgezogen. Allein Robbin stand an einer der beiden scharfen Felskanten und schien nach etwas Ausschau zu halten.
    »Willst du uns jetzt nicht sagen, auf wen wir hier warten?« fragte der Gorganer.
    Robbin winkte mit einem Arm ab.
    Konnte er aus dem Heulen, Jaulen, Brausen und all den anderen unentwirrbaren Geräuschen schlau werden? Wußte er doch mehr, als er preiszugeben bereit war?
    »Ich kann sie nicht deuten«, sagte der Pfader, als hätte er Mythors Gedanken gelesen.
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