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Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers

Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers

Titel: Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
Autoren: Ari Marmell
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auf, und die Erde bröckelte von seinen nackten Armen. Dann ging er ein paar Meter nach links und kniete sich erneut hin. Doch als er diesmal mit beiden Händen in die Erde griff, zog er sie nicht noch einmal leer heraus. Sorgfältig untersuchte er seine Beute, einen Schädel, zertrümmert und zerbrochen, gefüllt mit Erde.
    Ohne zu zögern oder auch nur einen Moment angewidert zu sein hob Kaleb den Schädel an den Mund und steckte die Zunge tief in eine der Augenhöhlen. Dabei durchdrang er den Schmutz, um die Essenz innerhalb des Schädels zu
schmecken. Dies war eine Technik, die selbst sein »Meister« Nenavar nicht kannte. Denn trotz der beeindruckenden Fähigkeiten des alten Hexenmeisters gab es durchaus Geheimnisse, die sogar dem Magus unbekannt waren.
    Sechs Jahre waren vergangen, doch es war immer noch genug da, womit er arbeiten konnte. Tatsächlich war gerade so viel da, dass Kaleb es schmecken konnte, und er schmeckte genug, um zu erkennen, dass dies nicht das war, wonach er suchte.
    Aber diese Erkenntnis überraschte ihn nicht sonderlich. Die Zahl der Toten, die Audriss mit seinem verheerenden Werk auf dem Gewissen hatte und die noch immer zwischen den verbrannten Ruinen und eingestürzten Gebäuden lagen, begraben von der Natur, der Zeit und dem Wiederaufbau, musste in die Hunderte gehen, wenn nicht gar in die Tausende.
    Kaleb jedoch hatte nicht das geringste Interesse und auch nicht die Zeit, um nach den Toten zu suchen.
    Mit einem Grunzen legte er den Schädel vor sich hin und zeichnete mehrere Symbole in den Schlamm. Es waren verdrehte, höchst komplexe Symbole, deren Anblick allein unerfreulich war und die auf Geheimnisse hindeuteten, die niemals zuvor gelüftet worden waren.
    Jetzt begann er zu singen, und seine Worte waren nicht weniger verderbt als die Symbole, die sie begleiteten. Schweiß überzog sein Gesicht, ein Film, der trotz des prasselnden Sommerregens hartnäckig auf seiner Haut klebte.
    Bis schließlich, hörbar allein für ihn, ein schreckliches Jammern dem leeren Schädel entwich.
    »Sprich zu mir«, befahl Kaleb. Seine Stimme klang so kalt, dass sie den Regen fast hätte zu Eis gefrieren lassen können. »Sag mir, was ich wissen muss, dann übergebe ich dich erneut deiner ewigen Ruhe. Weigerst du dich dagegen, so werde
ich dich an deine letzten Knochen binden, auf dass du hier verweilst, bis sie zu Staub zerfallen sind.«
    Es dauerte einen Moment, bis das Jammern verstummte. Es war, als hätte der beschworene Geist ihn nicht gehört oder als wäre er sich nicht sicher, ob er ihn richtig verstanden hatte. Doch es war genau die Antwort, die Kaleb brauchte.
    »Du bist nicht allein gestorben«, sagte er dem Schädel. »Hunderte sind mit dir verschieden, verbrannt in Maukras Flammen, ertrunken an Mimgols Gift, zerschmettert von den Trümmern der einstürzenden Gebäude. Von hier aus ist dein Geist in die Halle der Toten, in das Reich von Vantares gefahren. Dort müsstest du die anderen gesehen haben. Es ist übrigens einer deiner toten Gefährten, den ich suche.«
    »Einen Namen …« Es war kein richtiges Geräusch, sondern mehr das Gespenst einer Stimme, das allein für Kalebs Ohren und Kalebs Geist redete. »Seinen Namen.«
    Kaleb sprach, und der Geist heulte auf, als wären ihm die schlimmsten Qualen von Vantares’ tiefster Hölle in das Reich der Lebenden gefolgt. Aber der Nekromant ließ nicht locker, daher fing der Schädel schließlich doch an zu reden und verriet ihm, wo er graben musste.
    Er grub allerdings an einer anderen Stelle, ein paar Straßen weiter weg. Erneut drangen seine Sinne in die Erde ein, führten ihn zu den zerbrochenen Knochen. Erneut förderte er einen Schädel zutage. Erneut schmeckte seine Zunge, wem dieser einst gehört hatte.
    Diesmal zeichnete Kaleb jedoch keine Symbole in die Erde. Ihn interessierte nicht der Geist, der in die Unterwelt hinabgefahren war. Er brauchte vielmehr das Wissen, das dieser Schädel besessen hatte, als er noch am Leben gewesen war, keine Informationen von jenseits des Schleiers des Todes.
    Stundenlang saß er dort, während er die Finger und die
Zunge immer wieder über das Innere des Schädels gleiten ließ, um selbst die letzte und schwächste Spur von Gedanken und Träumen zu erfassen, jeden noch so winzigen Rest von dem, was vor vielen Jahren eine lebende Essenz gewesen war. Er suchte verzweifelt, hoffte verzweifelt …
    Erst als der Himmel im Osten heller wurde und das noch fahle Morgenlicht jeden einzelnen Regentropfen in
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