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Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers

Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers

Titel: Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
Autoren: Ari Marmell
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über den Kriegsfürsten und Hexer Corvis Rebaine gehört, der beinahe das gesamte Königreich erobert hätte. Doch der Mann, der nun, gänzlich befreit von Stahl und Knochen und in eine ganz gewöhnliche Lederrüstung sowie einen burgunderfarbenen Umhang gekleidet, auf dem Stuhl saß, die Gesichtszüge im Schatten der schwachen Beleuchtung, wirkte für diesen berüchtigten Eroberer viel zu jung.
    »Du weißt, was du als Nächstes zu tun hast, Kaleb?«, setzte Nenavar nach.
    »Aber nein, Meister.« Kalebs Miene wurde schlaff vor Verwirrung, und es gelang ihm tatsächlich, einen Speichelfaden abzusondern, als ihm vor gespielter Verblüffung der Mund
offen stehen blieb. »Könntest du es mir bitte noch einmal erklären?«
    »Verdammt, wir haben die Sache mehr als ein Dutzend Mal durchgesprochen! Warum kannst du …?« Nenavar ballte die Fäuste, als ihm klar wurde, dass er gerade zum Narren gehalten worden war. Schon wieder.
    »Offenbar hast du recht«, erwiderte Kaleb. »Ich hätte dich tatsächlich auf den Arm nehmen können.«
    Nenavar knurrte und stürmte stampfend aus dem Zimmer. Jedenfalls glaubte Kaleb, dass er hinausstampfte. Der alte Mann war nämlich so leicht, dass man seine Schritte nicht hören konnte.
    Er stand auf, reckte sich genüsslich und trat ans Fenster. Mit einer Hand öffnete er die Fensterläden und blickte über die Stadt. Das Licht der Sterne spendete ihm dafür ausreichend Helligkeit.
    Ja, er wusste sehr genau, was er zu tun hatte. Aber er wusste auch, dass er nicht vor Anbruch der Dämmerung erwartet wurde. Dies ließ ihm genügend Zeit für eine kleine Erledigung, von der Nenavar nichts zu wissen brauchte.
    Kaleb pfiff eine Melodie vor sich hin, die gerade laut und aufreizend genug war, um alle in den benachbarten Räumen zu wecken, als er die wacklige Treppe der Herberge hinabstieg und in die Nacht hinaustrat.
    Die Hitze des Tages war allmählich verschwunden – nicht nur, weil die Sonne untergegangen war, sondern auch, weil es angefangen hatte zu regnen. Kaleb zog die Kapuze seines Umhangs hoch, als er weiterging, eher weil man es erwartete, und nicht weil ihn der leichte Sommerregen störte.
    Er ging durch das Zentrum der Stadt, durch jene Straßen, die am besten gepflegt waren. An den meisten Kreuzungen standen Glaslaternen, in denen billiges Duftöl brannte, mit dem die schlimmsten Gerüche von Mecepheum in Schach
gehalten werden sollten. Die Hauptstadt von Imphallion war ein Hexengebräu aus altem Stein und neuem Holz, und in diesem Viertel gab es weit mehr von Ersterem als von Letzterem.
    Die Straßen waren gleichmäßig gepflastert, und die runden Steine erlaubten dem Regen, in den Ritzen abzulaufen, statt sich am Rand zu sammeln. Überall gab es breite Treppen und verzierte Säulen, deren Stil im einen oder anderen Fall schon damals, als Mecepheum noch jung war, alt gewesen war. Sie umrahmten die Portale von Gebäuden, in denen die Reichen und Mächtigen lebten und arbeiteten, oder zumindest diejenigen, die so reich waren, dass sie mächtig wirkten.
    Trotz der späten Stunde war Kaleb bei weitem nicht als Einziger unterwegs. Die vielen Laternen beleuchteten die Straßen bis auf die finsteren Gassen und tiefen Hauseingänge, und die Patrouillen aus Söldnern, die engagiert worden waren, um für Ruhe und Frieden in der Stadt zu sorgen, flößten selbst den ängstlichen Bürgern genügend Zuversicht ein, um der Nacht zu trotzen.
    So war es jetzt seit einigen Jahren, seit die Gilden die Stadt beherrschten. Sie mochten geizig sein, aber da die Geschäfte bis spät in die Nacht geöffnet blieben, florierte der Handel, und damit lohnte sich der Aufwand.
    Kaleb ließ den Kopf gesenkt, nickte jedoch ab und an den Leuten, an denen er sich auf der Straße vorbeidrängte, oder auch den patrouillierenden Soldaten zu, denen er gelegentlich begegnete. Ansonsten ignorierte er den Strom der Menschen vollkommen. Je weiter er lief, desto mehr ließ der Verkehr auf den Straßen nach, und die Laternen standen immer weiter auseinander, bis sie von einfachen Fackeln in eisernen Haltern ersetzt wurden, die im Regen blakten und zischten. Im Straßenpflaster zeigten sich immer größere Lücken, wie
fehlende Zähne in einem grinsenden Maul, und auch die großen Steinhäuser wichen zunehmend kleineren Gebäuden aus Holz.
    An der Grenze zwischen den beiden scharf getrennten Welten von Mecepheum hielt Kaleb kurz inne und blickte zurück. Hoch über dem Stadtkern thronte die Große Halle der Zusammenkunft. Aus
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