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Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus

Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus

Titel: Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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die Klammhöhe erreichen wollte, wo das Edelweiß wuchs. Jetzt lag der Baumriese mit unterwaschenen Wurzeln quer über dem neuen Schwemmland. Dort, im Schatten der Klammwände, ragte aus dem Gewirr von Wurzeln und Ästen ein dunkles Etwas, plump und flach wie eine Felsplatte, die sich mit einer Seite im Grund festgerammt hatte. Oder war es das Wohnboot des Vaters? Watend, kriechend, kletternd und schliefend drang Hans vor. Da berührten seine Hände die schlüpfrigen Bohlen des Bootes; festgeklemmt und halb umgekippt hatte es seinen Inhalt ins Gewirr des Schwemmholzes entleert. Hansens Puls hämmerte. In seinen Ohren war ein dumpfes Sausen und Schlagen. Mit dem Aufgebot aller Kräfte schrie er in die dunkle Masse der gestauten Wirrnis sein angstvolles: »Vater – Vater!« Keine Antwort kam, kein Stöhnen, nicht einmal der Widerhall seines Rufens von den nahen Wänden. Nur das Gurgeln sickernder Wasseradern im Anschwemmsel und das Rauschen der Ache im Klammtor waren zu hören. Dort unten mochte zerdrückt und erstickt der starke Mann liegen, um den daheim die kranke Frau bangte. Da war es Hans, als käme von der Klammhöhe herab ein klagender Ruf, wie der Aufschrei eines verwundeten Tieres. – Er lauschte angestrengt, er rief, er schrie und lauschte wieder – und vernahm nichts als das Rieseln und Rauschen der Wasser.
    Gebrochen an Mut und Kraft schleppte sich der Hoffnungslose heimwärts. Der Mond war hinter den Klammwänden versunken, und vom feuchten Seeboden stieg träge der Nebel auf.
    Als Hans in grauer Morgenfrühe daheim nach der Mutter sah, fand er sie schlafend. Wie er ging und stand, warf er sich auf sein Lager und versank in einen traumlosen Erschöpfungsschlaf. Als er erwachte, lag die Stube im grellen Sonnenlicht. Das Bett der Mutter war leer, die Tür offen. Er fand die Mutter, die seit Wochen keinen Schritt getan hatte, auf dem Laubengang kauernd. Wirr hingen ihr die Haare um das blasse Gesicht, ihre Augen suchten die Klammwände ab. Sie schien zu lauschen. Als Hans ihre Schulter berührte, fuhr sie erschrocken herum. Dann fragte sie unvermittelt: »Hast du's gehört? Er hat gerufen. Da, jetzt wieder!« Sie übersah die unsagbare Trauer in Hansens Zügen. »Ich hör nichts, Mutter!« Wie im Wahn fuhr sie fort: »Doch, von hoch oben her, wie aus den Wolken.«
    Hans sah sie mitleidig an, alle Schlaftrunkenheit war von ihm gewichen. Dann straffte er sich, hob die widerstrebende Kranke empor, trug sie auf ihr Lager, hüllte sie in Felle und eilte hinunter, um die kläglich meckernden Ziegen zu melken und zu füttern; die übervollen Euter mochten sie wohl schmerzen. Als er mit der Milch zur Mutter zurückkehrte, fand er sie im Bett sitzend. Sie machte Miene, es wieder zu verlassen. Unrast hatte sie ergriffen. Ihre Augen glänzten, ihre Wangen waren gerötet. Sie faßte Hans am Handgelenk und rief, ja schrie ihn an: »Was bist du noch da? Geh, geh, und such ihn – oben!« Sie stieß ihn von sich.
    Und Hans ging. Er verstaute für alle Fälle im Rucksack ein flaches Milchgefäß zwischen Brot und geräucherten Fischen, wickelte sein starkes Nesselseil, das er beim Klettern im Felsgeklüft zu verwenden pflegte, um die Brust, steckte Beil und Handsäge hinter den Gürtel und trat, den metallbeschlagenen Bergstock in der Linken, vor seine Mutter. Einen Augenblick nur hielt sie seine Rechte mit beiden Händen umklammert, dann strich sie ihm über den Scheitel und schob ihn von sich: »Geh schon, geh mit den Hunden! Ich warte.«
    Hans war es, als hätte sie gesagt: »Ich will und kann nicht sterben, ehe ich ihn gesehen habe.« Unten pfiff er den Hunden. Sie waren nicht da. Diesmal nahm er den Weg über die Brunnleiten hart an den Geröllhalden entlang und stieg im Moorbachtal nieder. Auf der Triftleiten angekommen, ließ er wieder seinen schrillen Pfiff ertönen, um die Hunde zu locken. Da, von drüben her, wo die gestürzte Eibe lag, hörte er ein heiseres Bellen, und dann sah er den Lieblingshund Evas, der in langen Sätzen die niedergegangenen Torfflöze des Moores überquerte und kläffend heranstürmte, an ihm hochsprang und ihm die Hände leckte. Dann aber machte der Hund kehrt und strebte, sich immer wieder umschauend, der alten Eibe zu. Hans lief im kiesigen Moorbachbett abwärts, er sprang, daß das seichte Wasser hoch aufspritzte. Er konnte ja nicht wie sein vierbeiniger Führer den kurzen Weg über das Moor nehmen, ihn hätte es nicht getragen. Erst auf dem Umweg über den Glimmerschieferriegel
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