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Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus

Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus

Titel: Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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fröhlich.
    Es kamen Tage, an denen Eva kaum ihr Bett verließ. Sie litt keine Schmerzen, sie war nur furchtbar müde. Die Sorgen um die Häuslichkeit beschäftigten sie nicht mehr. Ob die Hunde, Schweine, Katzen, Ziegen jungten, ob die Enten ihr Futter bekamen, sie fragte nicht mehr danach. Der warme Föhn brachte ihr Atemnot. Dann verfiel sie in einen von Träumen erfüllten Halbschlummer, in dem sie flüsternd mit sich selbst, mit Gott oder mit der Ahnl redete, die sie wohl in ihrer Nähe wähnte. Morgens lag sie lange in schwerem Schlaf. Ihr Atem hob kaum merklich das leichte Rehfell der Bettdecke. Hans, der sie beobachtete, mußte oft lange hinschauen, ehe er dessen gewiß war, daß seine Mutter noch atmete.
    Erst gegen Mittag, wenn die Sonne auf die blühenden Primeln und Maßliebchen schien, die Hans in Näpfen auf das Fensterbrett gestellt hatte, und Finken, Gimpel und Zeisige im Gezweig der Hausfichte ihre Frühlingslieder schmetterten, kam in die überzarte Gestalt ein Leben, das den Sohn immer wieder mit Hoffnung erfüllte. Die Stimme, mit der sie ihren »Buben« – so nannte sie ihn noch immer – um etwas bat, war klar und hatte sogar einen scherzhaften Klang: »Komm Hansl, jetzt mußt mich bemuttern, hast mich wieder in den hellen Mittag hineinschlafen lassen, jetzt rühr dich aber: waschen, essen!«
    Und schon war Hans mit der Waschschüssel bei ihr, tauchte ein Stück Leinen in das kühle Wasser, wusch der Mutter, die sich im Bett aufgesetzt hatte, Gesicht, Hals und Hände und trocknete sie mit einem vorgewärmten Tuch ab. Er kämmte ihr das lange blonde Haar und legte ihr das Stirnband an. Unter das Stirnband aber schob er kleine Sträuße, Goldprimeln und Veilchen. Dann ging er in den Stall, frischgemolkene Milch zu holen, die seit langem Evas einzige Nahrung bildete.
    Sie trank die Milch nicht aus; den Rest überließ sie ihrer Lieblingskatze, einer Enkelin der unvergeßlichen Schnurri, die an Zutraulichkeit von keinem anderen Haustier des Sonnleitnerhofes übertroffen wurde.
    Behutsam trug Hans die Mutter von ihrem Lager auf das seine, dessen wohldurchlüftete und wohldurchsonnte Felldecken und Matten einen Hauch der Morgenfrische ausströmten.
    Er brachte ihr die Katze, die sich umständlich in die Armbeuge ihrer Herrin kuschelte und vor sich hin schnurrte.
    Und während die dünn gewordenen Finger der Kranken das weiche Fell der Katze streichelten, folgten ihre Augen dem Sohn, der das Bettzeug der Mutter hinaustrug auf den Birkenzaun des Laubenganges. Dann kam eine Plauderstunde, die alle Sorgen vergessen machte. Hans holte eine dunkle Schieferplatte, nahm ein Stück Speckstein und zeichnete der Mutter die Geschichte ihres Lebens. So ging der Tag dahin. Hans brachte die Mutter in ihr frischgemachtes Bett zurück, sang ihr ein wenig vor und plauderte sie dann wie ein Kind in den Schlaf.
    Als der Vater am Abend heimkam und leise fragte, wie es der Kranken gehe, konnte Hans mit gutem Gewissen sagen: »Gut, Vater, gut geht's ihr.«
    Eines Tages mußte Hans die Schweine in die Bärenhöhlen schaffen, weil die steigende Flut das Gartenland zu überschwemmen drohte. Ihn verdroß, daß der Vater schon in aller Frühe gegangen war und er die Mutter allein lassen mußte. Freundlich schien die Sonne auf die weite Wasserfläche, aus der die Kronen des Laubwaldes ragten.
    Die Tiere waren versorgt. Hans war wieder bei der Mutter. In der Stube, deren Fenster mit Matten verhängt waren, herrschte traumhaftes Zwielicht. Gleichmäßig fielen die Tropfen der Wasseruhr. Die Kranke schlief.
    Nachmittags erwachte sie zu ungewohnter Stunde an einem machtvollen Dröhnen, das aus der Klamm zu kommen schien. Als wären plötzlich alle ihre Lebenskräfte zurückgekehrt, setzte sie sich mit einem Ruck auf und rief nach Hans. Kaum hatte er sich auf dem Bettrand niedergelassen, umfaßte sie seinen Kopf mit beiden Händen und küßte ihn.
    Hans, den das Dröhnen so beunruhigte, daß er am liebsten hinausgeeilt wäre, um nachzusehen, was vorging, mußte eindringlich fragen: »Mutter, was ist? Mutter, was ist, was hast du?« ehe sie zu sprechen begann.
    Mit zitternden Händen strich sie ihm die Haare aus der Stirn und sagte langsam, jedes Wort wägend: »Hans, hör zu! Gott der Starke hilft – ich hab ihn gebeten. – Hörst du den Klammbach brausen? – So hat er gelärmt, damals, als das große Wasser durch die Klamm gelaufen ist – das große Wasser, vor dem wir in die Bäume auf dem Fuchsenbühel gestiegen sind. –
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