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Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus

Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus

Titel: Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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Damals hat's die Klamm verlegt und dann nur halb freigegeben. – Aber jetzt, jetzt wird der Weg ganz frei werden, der Weg durch die Klamm. – Hörst du? Der Weg in die große Welt wird frei! Er wird frei, ich weiß es!«
    Sie schob seinen Kopf auf Armeslänge zurück und sah ihm gespannt in die Augen. Er aber brachte kein Wort hervor.
    Da begann sie wieder: »Oh, sag nur, was ich schon lang weiß – du magst nimmer dableiben im Heimlichen Grund du kannst nicht – und es wär auch schad um dich!«
    Da schüttelte Hans abwehrend den Kopf, jetzt schämte er sich seiner geheimen Sehnsucht, die sie erraten hatte.
    »Ich weiß wohl, du gehst nicht, solange ich lebe – nur solange ich lebe, bist du gefangen im Heimlichen Grund; dann aber bist du frei – ich hab keine Angst, wie's dir gehen wird, Hans – verlaß nur den Vater nicht!«
    Ihre Stimme klang weich, und wieder zog sie seinen Kopf zu sich herunter. Und während sie ihm zusprach, er solle nicht weinen, begann sie selbst zu schluchzen. Und wieder fing sie an: »Wenn ihr mich begraben habt – dann suchst du den Weg durch die Klamm – hinaus in die große Welt, wo andere Menschen wohnen.« Die Lebhaftigkeit, mit der sie sprach, stand nicht im Einklang mit ihrem langen Siechtum. Flackerte ihre Lebensflamme zum letztenmal auf vor dem Erlöschen?
    Den Mund an das Ohr des Lauschenden gepreßt, fuhr sie eindringlicher fort: »Aber sucht euch einen sonnigen Tag aus – einen sonnigen Tag nach vielen sonnigen Tagen, daß euch kein Steinschlag trifft in der Klamm.«
    Da fuhr Hans zurück: »Mutter, ich bitte dich, hör auf! – Red nicht so, du darfst nicht sterben, du darfst nicht!«
    »Sei still, Hans, sei still. Das Sterben ist nicht so, wie du meinst. Ich hab die Ahnl lebend gesehen, ich hab sie einschlafen sehen, und dann war sie tot; kalt ist sie geworden, und wir haben sie begraben. Ihr Atem hat ihren Leib verlassen und hat sich mit dem Atem des Allmächtigen vereinigt, und der Allmächtige ist überall. Darum ist sie auch immer bei uns gewesen, hat uns bewacht und beraten. Ich habe sie oft im Traum gesehen, habe mit ihr reden können. Und sie ist mir beigestanden in meinen schwersten Zeiten. Auch heut nacht war sie bei mir. Ihr Geist war immer da, bei mir, in mir. So wird auch mein Geist bei dir sein, Hans, – er wird dich hinausgeleiten aus dem Heimlichen Grund in die große Welt und wird dir den Weg weisen.«
    Da bedeckte Hans sein Gesicht mit den Händen und weinte still vor sich hin.
    Das ferne Dröhnen in der Klamm dauerte an, die Luft bebte, und Hans war es, als erzitterten die Balken des Stubenbodens unter seinen Füßen. Die Mutter atmete leise.
    Nach einer Weile erst hob sie wieder an, als wollte sie ein Bedenken, das Hans noch haben mochte, zerstreuen. »Vor den Menschen da draußen müßt ihr keine Angst haben. – Die der Ahnl ans Leben gewollt haben, die sind alt oder tot. Und die anderen wissen nichts von ihr, nichts vom Vater und nichts von dir. – Ob sie gut oder bös sind? Ach Gott, sie sind, wie sie sind – gut und bös. Und ehe du eine Frau nimmst – Hansl, hörst du mich? – ehe du eine Frau nimmst, schau gut, ob sie von den Guten eine ist. Sie soll fröhlich sein und euch beide froh machen. – Daß die Menschen dich gut aufnehmen, dafür weiß ich dir einen Rat. Paß auf: Wo du jemand schwer arbeiten siehst, dort hilf – dort hilf …«
    Eva lehnte sich erschöpft und wie erlöst zurück und schloß die Augen.
    Hans aber war entschlossen, die Nacht über bei der Mutter zu wachen. Er setzte sich in den Lehnstuhl am Kopfende ihres Bettes. Ihre beiden Ratschläge, vielleicht die letzten Worte einer Sterbenden, wollte er in seiner Bilderschrift niederschreiben, damit keines ihm jemals entfiele. Plötzlich erinnerte er sich des Vaters. Wo der nur so lange blieb? Ob ihm etwas geschehen war? Wie sehr er ihn liebte, empfand er jetzt, wo er ihn vielleicht verlor. Und er begann zu beten. Das Gesicht der Mutter vor den Augen, flehte er, daß sie erwachen möge, damit er den Vater suchen, ihn retten könne, den Vater, den Vater …!
    Und als ob sein starker Wille der Mutter neue Kraft gegeben hätte, röteten sich ihre Wangen, ihre Lider zuckten, sie öffnete die Augen weit: »Wo ist der Vater?« – Hans beugte sich über sie.
    Noch ehe er antworten konnte, hatte sie ihn an den Schultern gepackt und schrie ihn an: »Wo ist er? Sag's, sag's!«
    »Noch draußen«, kleinlaut brachte er es hervor.
    Da schüttelte sie ihn mit einer Kraft, die er
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