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Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)

Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)

Titel: Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)
Autoren: Walter Scott
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mir gegenüber sonst wahrte, nicht erwarten.
    Es dauerte übrigens nicht lange, so brachte uns die Straße, wie Donald Mac Leish gesagt hatte, bis auf knapp fünfzig schritt an den Baum heran, der mein Interesse so rege machte, und nun sah ich zu meiner nicht geringen Überraschung, daß dicht an seinem Fuße, Zwischen den ihn einfassenden Klippen, sich eine menschliche Wohnung befand.
    Es war die kleinste, ärmlichste Hütte, die ich je in den Hochlanden gesehen hatte. Sie war aus Erdschollen aufgeführt und kaum fünf Fuß hoch. Sie war mit Rasen gedeckt, die Fugen waren mit Rasen ausgestopft, hin und wieder auch mit Schilf und Binsen gefüttert. Der Schornstein war aus Lehm geknetet und mit Strohseilen umwickelt. Das ganze Bauwerk, Mauern, Dach und Schornstein, war mit Hauslauch, Ried und Moos überwuchert, wie es ja häufig der Fall ist bei solch verfallenem Bauwerk aus solchem Material.
    Von einem Gemüsegärtchen, sonst eine Zugabe auch der elendesten menschlichen Behausung, keine Spur. Auch von lebendigen Wesen keine Spur, ein Zicklein ausgenommen, das von dem Rasendache der Hütte die niederhängenden Halme fraß, und eine Geiß, seine Mutter, die unfern der Eiche am Ufer des Gießbaches sich ihr bißchen Nahrung suchte.
    »Wer kann sich so versündigt haben, daß er an solch elender Stätte hausen muß?« rief ich unwillkürlich.
    »Sie haben recht, Lady!« versetzte Donald Mac Leish; »hier ist schwere Sünde getan worden, aber auch Jammer genug geerntet worden. Indessen ist die Hütte nicht eines Mannes Behausung, sondern eines Weibes.«
    »Eines Weibes?« wiederholte ich. »Ein Weib haust hier? An solch einsamer Stätte? Was für ein Weib kann dies sein?«
    »Treten Sie hierher, Lady!« sagte Donald Mac Leish leise, »und urteilen Sie selber!«
    Wir gingen ein paar Schritte vorwärts und erblickten, als wir um eine scharfe Ecke bogen, die herrliche große Eiche jetzt von einer der bisherigen direkt entgegengesetzten Richtung.
    »Ist sie ihrer alten Gewohnheit treu geblieben,« sagte Donald, »so wird sie jetzt hier sein.«
    Sogleich aber schwieg er, als wenn ihn Furcht ankäme, seine Worte möchten von anderen gehört werden, und zeigte mit dem Finger nach der Eiche hin. Ich blickte auf und sah nun, nicht ohne ein Gefühl von Angst, an dem Stamm der Eiche eine weibliche Gestalt liegen, dicht eingehüllt in einen schwarzen Mantel, die ihre Hände gefaltet und das Haupt tief auf die Brust gesenkt hielt: ganz in der Stellung und Haltung, wie man Judäa, unter einem Palmbaum sitzend, auf syrischen Münzen abgebildet sieht.
    Von der Scheu, die meinen Führer vor diesem Wesen zu erfüllen schien, ging ein Teil auf mich über. Auch mochte ich nicht früher zu ihr treten und sie ansehen, als bis ich einen fragenden Blick auf Donald gerichtet hatte. Leise flüsternd gab er die Antwort:
    »Sie war ein schrecklich böses Weib, Mylady!«
    »Verrückt, meint Ihr?« fragte ich, denn ich hatte nicht recht verstanden, was er sagte. »Dann ist sie am Ende gefährlich?«
    »Nein, verrückt ist sie nicht,« antwortete Donald, »denn wäre sie es, so würde sie glücklicher sein als sie ist. Und doch wieder kann es mit ihrem Verstande nicht ganz in Ordnung sein, wenn man erwägt, was sie getan hat und welche Ereignisse sie veranlaßt haben, von ihrem gottlosen Willen nicht eine Handbreit nachzugeben. Aber verrückt ist sie nicht, und auch keine Unheilstifterin. Nichtsdestoweniger, Lady, möchte ich es für besser halten, Sie gingen nicht näher zu ihr heran!«
    Hierauf machte er mich durch ein paar flüchtige Worte mit der Geschichte dieses Weibes bekannt, die den Stoff für die folgende Erzählung abgibt. Mit einer Empfindung, halb Schauder, halb Mitleid, lauschte ich Mac Donald Leishs Worten. Wohl drängte es mich, zu ihr zu treten und ihr Worte des Trostes zu sagen; anderseits wieder konnte ich mich der Furcht vor ihr nicht erwehren. Mit ebensolcher, halb aus Furcht, halb aus Mitleid gemischter Empfindung betrachtete sie jedermann im Hochlande, diese Elspat Mac Tavish, wie sie hieß mit ihrem Geburtsnamen, oder »das Weib der Eiche«, wie sie gemeinhin vom Volke genannt wurde. Wie im Altertum die Griechen Menschen mieden, die von den Furien verfolgt wurden, nämlich geistige Qualen zur Strafe für verbrecherische Handlungen litten, so wurde Elspat Mac Tavish von allen Hochländern gemieden; aber gleichwie den Griechen solche Unglückliche weniger als die freiwilligen Verüber ihrer Verbrechen galten, als vielmehr als die
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