Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Titel: Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Land zu entdecken.
    Im Süden lag das Meer mit treibenden Eisschollen, dort war das Eisfeld also unterbrochen. Man konnte auch voraussetzen, daß noch einige Wochen vergehen würden, ehe die Longstraße ihrer ganzen Ausdehnung nach zugefroren wäre… wenn… ja, wenn es überhaupt die Longstraße war, die man in der betreffenden Richtung vor sich zu haben glaubte.
    In den drei folgenden Tagen wurde das Lager von Eisbären nicht belästigt. Zwei oder drei dieser bekanntlich oft recht gefährlichen Thiere hatten sich zwar auf Eisschollen gezeigt, zogen sich aber zurück, ehe sie verfolgt werden konnten.
    Am Abend des 26. October war man mit der Herstellung der Schlitten endlich fertig, und sofort wurden sie mit Conservenkisten, mit Fleisch, Gemüsen, Schiffszwieback, einem großen Vorrath von Holz, sowie mit mehreren Packen zusammengerollter Segel beladen, die zur Herrichtung von Zelten dienen sollten, wenn Schneestürme das weitere Vorwärtskommen verhinderten.
    Noch eine letzte Nacht des Schlafes im Volkslogis und in den Cabinen, noch eine letzte Mahlzeit an Bord, dann zogen Bourcart mit seinen Begleitern und der Kapitän King mit seinen Leuten von der Unfallstelle fort.
    Natürlich fühlten sich bei dem Aufbruche alle tief erregt und schmerzlich beklommen. Auf das Wrack, das der »Saint Enoch« gewesen war, blieben alle Augen gerichtet, bis es unter der Packeismauer verschwand.
    Da sagte der immer vertrauensselige Meister Ollive guten Muthes zu dem Tonnenbinder:
    »Na, siehst du, Alterchen, wir ziehen uns doch noch aus der Schlinge! Wir werden den Molo von Havre schon wiedersehen!«
    – Wir?… Vielleicht… der »Saint Enoch« aber nicht!« begnügte sich Jean-Marie Cabidoulin zu antworten.
    Ueber die Einzelheiten der Fahrt über das weite, todtenstille Eisfeld ist nichts besonderes zu berichten. Die größte Gefahr dabei war nur die, daß Lebensmittel und Brennmaterial zu Ende gehen könnten, wenn die beschwerliche Reise sich über Erwarten verlängerte.
    In geregelter Ordnung zog die kleine Karawane dahin. Die beiden Lieutenants marschierten an der Spitze. Manchmal entfernten sie sich um ein bis zwei Meilen, um den Weg zu erspähen, wenn Eisblöcke die Fernsicht verhinderten. Dann mußte man zuweilen recht große Eisblöcke umwandern, was die zurückzulegende Wegstrecke natürlich nicht wenig vergrößerte.
    Die Lufttemperatur schwankte immer zwischen zwanzig und dreißig Grad unter Null, das ist auch zu Anfang des Winters die gewöhnliche Mitteltemparatur in dieser Breite. So folgte der eine Tag dem anderen; immer unverändert glänzte im Süden des Eisfeldes die noch offene Meeresfläche, auf der nur Eisschollen dahintrieben. Bourcart bemerkte übrigens, daß diese durch eine scharfe Strömung in der Richtung nach Westen, nach der Longstraße zu getragen wurden, deren westlichen Eingang die Schlitten schon hätten passieren können. Im Süden dagegen lag wahrscheinlich der breite Meeresarm, der bis an die Liakhovinseln und an den Archipel von Neusibirien reichte.
    Wenn von den möglichen Fährnissen der nächsten Zukunft die Rede war, äußerte der Kapitän Bourcart seinen Officieren gegenüber auch die Besorgniß, daß sie sich gezwungen sehen könnten, bis zu den genannten Inseln hin zu ziehen, die doch vom Festlande Asiens noch mehrere hundert Seemeilen trennten. Die Karawane vermochte aber an einem Tage kaum zwölf Meilen zurückzulegen, und zwölf Stunden mußten täglich unbedingt der Ruhe gewidmet werden. Da ferner die Octobertage in dieser hohen Breite schon sehr kurz waren und die Sonne nur noch einen stark beschränkten Bogen am Himmel beschrieb, verlief die an sich äußerst beschwerliche Wanderung obendrein wenigstens theilweise im Halbdunkel.
    Die muthigen Leute ließen trotzdem keine Klage hören. Auch den Engländern, die sich am Ziehen der Schlitten betheiligten, war kein Vorwurf zu machen. Sobald Bourcart das Haltesignal gab, wurden mittels der über Spieren gespannten Segel Zelte aufgeschlagen, die nöthige Nahrung vertheilt und der Ofen angefeuert, auf dem man sich ein warmes Getränk, Grog oder Kaffee, bereitete, und dann legten sich alle nieder und schliefen ruhig bis zum Wiederausbruch des kleinen Zuges.
    Doch was hatten dessen Theilnehmer alles auszustehen, wenn der Sturm mit unerhörter Gewalt wüthete, wenn ein Schneetreiben über das Eisfeld hinjagte, und wenn der Marsch unter einem dichten, die Augen blendenden, weißen Staub gar gegen den schneidend kalten Wind ging! Dann konnte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher