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Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Titel: Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
Autoren: Jules Verne
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wenn man nur gut hinsieht, ist einmal sein Kopf, ein andermal sein. Schwanz zu erkennen.
    – Pah… lauter Einbildungen aus Deinem verdrehten Schädel!
    – Es hält uns noch in seinen Klauen… es wird uns auch nicht loslassen, und ich weiß sehr gut, wohin es uns verschleppt.
    – Dahin, woher wir auch zurückkehren werden, Alter! erwiderte Meister Ollive. Nach der Flasche Tafia noch eine Flasche Rum, daß wir mit heiler Haut davonkommen!«
    Jean-Marie Cabidoulin zuckte die Achseln und warf seinem Kameraden einen halb mitleidigen, halb verächtlichen Blick zu. Wenn er sich über die Reling hinausbog, glaubte der Mann thatsächlich, den Kopf des Ungeheuers zu sehen, einen Pferdekopf mit furchtbarem Schnabel, der aus einer dichten Mähne hervortrat, und dann, einige hundert Fuß weiter hin, den fürchterlichen Schwanz, der wüthend auf das Wasser schlug, so daß es in weitem Umkreise aufspritzte und schäumte. Die Leicht-und die Vollmatrosen sahen übrigens dasselbe, allerdings nur durch die Augen des in seinen Glauben verrannten Tonnenbinders.
    Wenn sich im Norden auch kein Land zeigte, so trieben doch schon Eisschollen auf der weiten Wasserfläche umher. Kein Zweifel, der »Saint Enoch« befand sich im Polargebiete jenseits der Meerenge; um wie viele Grade über dem siebzigsten Breitengrade… das konnte nur durch eine Beobachtung festgestellt werden, die zu der jetzt zu weit fortgeschrittenen Tageszeit leider unmöglich war.
    Kaum zehn Minuten später rief übrigens der Matrose Gallinet, der nach dem Stumpfe des Fockmastes hinaufgeklettert war:
    »Eisfeld vor Backbord!«
    Ein Ice-field dehnte sich wenigstens auf drei Meilen nach Norden hin aus. Eben und glatt wie ein Spiegel, warf es die letzten Strahlen der Sonne zurück. Weiter hinten zeigte sich die erste Packeismauer, deren höchste Punkte wohl hundert Toisen über die Meeresfläche aufragten. Auf dem Eisfelde schwirrte und tummelte sich eine ganze Welt von Vögeln umher, von Möven, Lummen, Fettgänsen und Fregattvögeln, während zahlreiche Seehundspaare an dessen Rändern lagen.
    Das Eisfeld mochte noch drei bis vier Meilen entfernt sein, und der allmählich auffrischende Wind stand gerade darauf zu. Das Meer wogte auch jetzt stärker auf und ab, als es infolge der Brise allein möglich gewesen wäre, und das kam daher, daß die Riesenwelle sich noch immer unter den treibenden Eisflächen fortwälzte. Jedenfalls brach sie sich gänzlich erst an der unerschütterlichen arktischen Packeiswand.
    Wiederholt gurgelte auch noch ein mächtiger Wasserschwall über den »Saint Enoch« hinweg, dessen Schanzkleidung an einer Stelle durch den Sturz der Fockmaststenge zertrümmert worden war. Einmal wurde das Schiff dabei so weit auf die Seite geneigt, daß das Wasser bis zur Cajüte vordrang. Wenn jetzt die Lukendeckel des Frachtraumes nicht festgehalten hätten, wäre es dem Untergange geweiht gewesen..
    Je weiter der Tag fortschritt, desto stürmischer wurde das Wetter und desto heftigere Windstöße brachen, von Schneetreiben begleitet, über das Schiff herein.
    Gegen sieben Uhr abends wurde der »Saint Enoch« noch einmal hoch emporgehoben und dann auf das Eisfeld geschleudert, über dessen glatte Fläche er weiter glitt, bis er gegen die ersten Blöcke des Packeises prallte.
Fünfzehntes Capitel.
Ende.
    Nach welchem Theile des arktischen Meeres mochte der »Saint Enoch« nun seit dem Augenblicke verschlagen worden sein, wo er – ungefähr vor vierundzwanzig Stunden – von der Klippe weggerissen wurde?
    Als der Nebel aufstieg, hatte Bourcart beobachtet, daß sein Schiff nach Nordnordwesten trieb. War es seit dem Passieren der Behringstraße aus dieser Richtung nicht abgedrängt worden, so konnten er und seine Gefährten wohl noch auf festes Land, entweder an die sibirische Küste oder nach einer Insel in deren Nähe gelangen. Eine Rückkehr mußte von dort aus weniger mühselig und gefahrvoll sein, als durch das Gebiet des amerikanischen Alaska.
    Die Nacht war herangekommen… eine dunkle, eisige Nacht mit einer Temperatur von zehn Grad unter Null.
    Bei dem sehr heftigen Anprall waren auch noch die Untermasten gebrochen und der Rumpf des Schiffes aufgesprengt worden.
    Es war ein wirkliches Wunder zu nennen, daß dabei – von einigen Quetschungen abgesehen – eigentlich niemand wesentlich verletzt wurde. Die gegen die Bordwand geschleuderten Mannschaften konnten bald auf dem Eisfelde festen Fuß fassen, wohin ihnen Bourcart und seine Officiere schleunigst
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