Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung
Autoren: Ernst Peter Fischer
Vom Netzwerk:
umgebracht, weil das Orakel, ohne explizit darauf hinzuweisen, keine klassischen, sondern drei Quantenmagier angekündigt hat, die miteinander verschränkt sind. Das bedeutet in Zeilingers Worten, »dass vor ihrer Beobachtung für keinen von ihnen festgelegt ist, ob sie Mann oder Frau sind und ob sie helles oder dunkles Haar besitzen. In diesem Fall gibt es tatsächlich quantenmechanische Zustände, die den beiden Vorhersagen des Orakels entsprechen, sollten die zugehörigen Beobachtungen durchgeführt werden. Gleichzeitig ist es aber auch möglich, dass in einem solchen quantenmechanischen Zustand eine andere Vorhersage, die das Orakel nicht ausgesprochen hat, ebenfalls richtig ist, nämlich: ›Entweder sind alle drei [Magier] Männer, oder es sind zwei Frauen und ein Mann.‹«
    Damit ist charmant und treffend zugleich ein GHZ-Zustand beschrieben, wobei das physikalische Märchen nicht von Magiern, sondern von Teilchen handelt. Es operiert zudem mit dem ewig vertrackten Spin und erzählt von seiner in der klassischen Physik nicht erfassbaren Zweideutigkeit, die Teilchen der Quantensphäre fest miteinander verschränken kann.
Mr. Beam
    Wenn man die Nichtlokalität der Wirklichkeit ernst nimmt und darüber ins Sinnieren gerät, taucht bald der Gedanke auf, dass sich verschränkte Quantenzustände übertragen lassen. Dies gelingt inzwischen tatsächlich und wird als Quantenteleportation oder kürzer als Teleportation bezeichnet. Als Pionier der Erkundung dieser metaphysischen Korrelationen hat sich kein anderer als Zeilinger hervorgetan. Ihm und seinen Leuten ist solch eine Quantenmagie im Jahre 1997 gelungen. Teleportation meint dabei eine Beeinfl ussung von atomaren Teilchen über eine räumliche Distanz hinweg, ohne dass dafür Zeit benötigt wird und ein physikalischer Übertrag stattfindet. Teleportation erfolgt also unphysikalisch, wie man auch sagen kann, und zwar durch etwas, das außerhalb der Physik liegt und somit im Wortsinne zur Metaphysik gehört. Und wenn sich Worte wie »Quantenmetaphysik« oder »Teilchenmetaphysik« auch beim ersten Hören unsinnig anhören oder esoterisch wirken, so kommt man an dem Tatbestand nicht vorbei, dass die Quantenwelt solche Verbindungen (Verschränkungen) auf seriöser wissenschaftlicher Basis zulässt.
    Seit Zeilinger nachweisen konnte, dass die von Einstein etwas leichtfertig als »spukhafte Fernwirkung« verspottete Möglichkeit der physikalischen Realität zu unserer Welt gehört, wird er von Kollegen als »Mr. Beam« bezeichnet. Dieser Name verdankt sich dem merkwürdigen Umstand, dass es einmal in einer populären Science-Fiction-Fernsehserie namens Star Treck einen Commander Kirk gegeben hat, der ab und zu einmal gerne seinen Aufenthaltsort wechseln wollte, und zwar sofort und ohne Zeitverzug. Er gab dann seinem Chefingenieur Scott den längst legendären, im Original leichtverständlichen und unübersetzbaren Befehl: »Scotty, beam me up!« Und so hat erneut die poetische Fantasie eine wissenschaftlich erreichbare Möglichkeit vorweggenommen, nämlich den Wechsel von einem Ort zum anderen, ohne dass dabei Zeit vergeht, die eine Uhr messen kann. Das heißt, natürlich transportiert ein Experiment zur Teleportation weder Materie noch eine Information, da beide nicht schneller als die Lichtgeschwindigkeit unterwegs sein können und also immer Zeit brauchen, um an ein anderes räumlich getrenntes Ziel zu kommen, selbst wenn das noch so nahe liegt. Was bei der Teleportation übertragen wird, das sind vielmehr die messbaren Eigenschaften von Quantenobjekten – Atomen, Elektronen etc. –, also die Zustände, in die sie durch einen Beobachtungsvorgang gebracht worden sind. Wenn man also sagt, zwei Quantenobjekte sind verschränkt, dann meint man, dass die Messung eines von ihnen zugleich mit bestimmt, was die Messung des zweiten ergeben würde, falls man sie machen würde. Darin liegt auch die experimentelle Schwierigkeit beim Nachweis einer Verschränkung. Sie besteht in der Merkwürdigkeit, dass man zum einen den korrelierten Zustand, über den man etwas behauptet, ohne Messung nicht kennen kann, dass man ihn aber zum anderen im Falle einer Messung erneut verändert.
    Trotzdem haben Physiker längst Teleportation über große Distanzen nachgewiesen, wobei man sich das Ergebnis so veranschaulichen kann, dass man zwei Würfel dazu bringt, bei jedem Wurf die gleiche Augenzahl anzuzeigen, ganz gleich, wo sie hinrollen. Zeilinger gelingt das spielend, und wenn man ihn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher