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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung
Autoren: Ernst Peter Fischer
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fragt, was er damit anstrebt – neben dem Glücksgefühl, die seltsamen Quantensprünge verstehen zu können und der paradoxen Quantennatur näher zu kommen –, dann weist er unter anderem auf die Möglichkeit von abhörsicheren Kommunikationswegen hin. Denn wenn jemand in einen Quantenvorgang eingreift, ändert er dadurch die Zustände, die korreliert werden. Wenn es also Quantenkommunikation gibt, dann kann man immer wissen, ob jemand die Leitung angezapft hat oder nicht. Mit anderen Worten: schlechte Zeiten für Spione, die keine Quantensprünge kennen.
Quanten und Information
    Zeilinger kann noch mehr. Er ist zum Beispiel in der Lage nachzuweisen, dass die Gegenstände dieser Welt auch dann eine Quantennatur zeigen, wenn sie größer, ja viel größer als Elektronen sind. Er hat sich an Neutronen und sogenannte Buckyballs gewagt, die aus rund 50 Kohlenstoffatomen bestehen, und er visiert nun biologische Strukturen wie Viren an. Natürlich kann es dabei nur um Dinge gehen, die wir nicht mit unserem bloßen Auge wahrnehmen können. Denn wenn etwas Sichtbares einen von zwei möglichen Wegen (Doppelspalt) nimmt, sehen wir ja, wo es langläuft, und mit dieser Beobachtung verändern wir das Betrachtete so, dass bei ihm der Quantenspuk vergeht und verpufft.
    So spannend dies alles ist – was Zeilinger noch mehr antreibt und schon frühzeitig faszinierte, war der Gedanke des großen Niels Bohr, der darauf beharrte, dass es in der Physik gilt, einen verbreiteten Irrtum aufzugeben. Die Wissenschaft von der Physik, so Bohrs eigentlich banale Ansicht, beschreibt nicht die Natur, wie vielfach angenommen wird; die Physik beschreibt vielmehr das menschliche Wissen von der Natur. Wer diesen Satz ernst nimmt – und Zeilinger tut es –, kann daraus folgern, dass es eigentlich keinen Unterschied zwischen der Wirklichkeit und unserer Information über sie gibt. Realität und Wissen sind, so gesehen, nur zwei Seiten einer Medaille. Diesen Gedanken spricht Zeilinger knallhart aus: »Wirklichkeit und Information sind dasselbe.« Wenn man dies erst einmal geschluckt hat und sich daran erinnert, dass Information durch sogenannte Bits festgelegt und gemessen werden kann – in einem Computer ist das eine Folge aus Nullen und Einsen –, dann wird einem plötzlich etwas klar: Man weiß jetzt, warum die Welt im Bereich der Atome nicht kontinuierlich erscheint und stattdessen ihre Quantennatur offenbart. Unser Wissen über die Natur drücken wir durch die diskreten Einheiten aus, die oben als Bits eingeführt worden sind, und daher tritt uns auch die Welt in dieser Form entgegen. Es gibt in der Wirklichkeit Quanten und Quantensprünge, weil unser Wissen aus diskontinuierlichen (sprunghaften) Einheiten besteht.
    Mit diesen Überlegungen sind wir tief in den Bereich der aktuellen Grundlagenforschung, wie sie in der modernen Physik betrieben wird, eingedrungen. Zeilingers Verdienst ist es, dass er schon länger versucht, zwei Einsichten angemessen zu berücksichtigen:
    Zum einen weiß die Physik, dass Information etwas grundlegend Physikalisches ist. Sie weiß das, nachdem sie mehr als hundert Jahre gebraucht hat, um den Dämon zu vertreiben, den sich der schottische Physiker James Clerk Maxwell im 19. Jahrhundert ausgedacht hat. Maxwell wollte wissen, ob es einen apparativen Dämon geben kann, der verhindert, dass sich zwei Gefäße mit unterschiedlicher Temperatur angleichen, und statt dessen dafür sorgt, dass das warme heißer und das kühle kälter wird. Solch einen Dämon, so weiß man heute, kann es nur deshalb nicht geben, weil dieser über die Eigenschaften der in den Gefäßen zu sortierenden Moleküle, die er nicht alle speichern kann, informiert sein müsste. Es sind zu viele Informationen, die er aufnehmen und löschen muss, um zu funktionieren. Und wenn wir auch hier keine Details anführen können, so wird doch einsichtig, dass Information zwar genuin zur physikalischen Beschreibung von Wirklichkeit gehört, dort aber bis heute nicht vorkommt. Das möchte Zeilinger ändern.
    Zum Zweiten versucht der scharfsinnige Österreicher konsequent den Gedanken in seine Forschungen einzubinden, dass unser gesamtes Wissen über die Natur aus (ihren und unseren) Informationen stammt. Wenn wir diese Größe unbeachtet lassen, dann muss etwas in unserem Weltbild fehlen. Um diesen Mangel aufzuheben, hat Zeilinger 1999 das eingangs genannte »Grundlagenprinzip für die Quantenmechanik« formuliert, das ganz einfach lautet: »Ein elementares
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