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Die Himmelsfestung

Die Himmelsfestung

Titel: Die Himmelsfestung
Autoren: Hubert Haensel
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bereiten.«
    Von irgendwoher erklang ein leises Plätschern. Wenig später entdeckte Mythor das schmale Rinnsal, das sich über die Felsen ergoß. Dem spärlichen Wasserlauf folgend, stießen sie auf die Stirnmoräne am Anfang der Gletscherzunge. Das Eis war mehr als dreimal mannshoch und schob gewaltige Brocken vor sich her.
    »Gibt es keinen anderen Weg?« fragte Courmin.
    Barborur schüttelte den Kopf. »Wir müssen hinüber.«
    Mit beinahe schlafwandlerischer Sicherheit wich er sämtlichen Spalten aus, die mitunter von einer dünnen Firnschicht verdeckt wurden. Im letzten Drittel wurde der Gletscher steiler. Barborur hatte bereits wieder gewachsenen Fels erreicht, als einer der Ausgestoßenen ausglitt und haltlos um sich schlagend im Dunst verschwand. Seine Schreie verhallten in vielfachem, verzerrtem Echo. Niemand konnte ihm helfen und seinen Sturz aufhalten, ohne selbst Gefahr zu laufen, abzurutschen. Das Eis war hier beinahe so glatt wie die Oberfläche eines zugefrorenen Sees, und nur eine wenige Fingerbreit dicke Schneeschicht machte es überhaupt begehbar.
    Barborur folgte dem im Dunst verschwundenen Mann.
    Es dauerte lange, bis er wiederkam. Er war allein. Seine Miene drückte Resignation aus. »Es tut mir leid«, sagte er, an Courmin gewandt. »Dein Krieger hat sich beim Sturz in eine Spalte das Genick gebrochen.«
    Endlich rissen die Wolken auf. Nicht mehr allzu weit entfernt ragte die Festung empor. In ihrer Größe bot sie einen imposanten Anblick, und Mythor fragte sich unwillkürlich, wie viele Jahrzehnte es wohl gedauert hatte, dieses Bauwerk auf dem Gipfelplateau zu errichten.
    Heisere Schreie erklangen aus der Höhe. Ein Vogelpaar zog in schwindelerregender Höhe seine Kreise.
    »Bergdohlen«, vermutete Mythor, doch Barborur schüttelte heftig den Kopf.
    »Das sind Vögel des Bösen. Ich weiß es. Frage mich nicht, woher, ich habe es die ganze Zeit über geahnt.« Von plötzlicher Sorge um seine beiden Artgenossen erfüllt, wollte er losstürmen, doch Mythor hielt ihn zurück.
    »Was hast du vor?«
    »Ich muß auf die Burg. Wenn die Mangokrieger erst angreifen, ist es zu spät.«
    Barborur versuchte, sich loszureißen. Ihm war anzusehen, daß er selbst auf Mythor keine Rücksicht mehr nehmen würde.
    »Willst du ihnen geradewegs in die Arme laufen?«
    Der Taetz starrte zum Himmel hinauf, wo die Vögel soeben hinter dem Gipfel verschwanden.
    »Die Mangokrieger könnten die Festung bereits erobert haben«, gab Mythor zu bedenken. »Zumindest fürchte ich, daß einiges anders ist, als du es erwartest.«
    »Aber wir müssen hinauf. Oder sollen wir kampflos aufgeben?«
    »Wir dürfen nur nicht offen anrücken, daß jeder uns schon von weitem sehen kann.«
    Barborur zögerte. »Es existiert ein geheimer Gang, den nur noch wenige Taetze kennen«, gestand er dann.
*
    Die Himmelsfestung lag ungefähr 150 Mannslängen über ihnen, als Barborur seine Begleiter auf einen kaum erkennbaren, seitlich verlaufenden Pfad führte. Der Berg ragte nun nahezu senkrecht auf, durch überhängende Felsnasen waren sie sogar vor Entdeckung geschützt.
    Eine Stunde mochte vergangen sein, bis es endlich wieder in die Höhe ging. Zweifellos näherte man sich der Festung nun von der rückwärtigen Seite. Wenn sie wirklich schon erobert war, würde die Aufmerksamkeit der Gegner wohl dem Gelände vor dem Tor gelten. Die einzige unberechenbare Gefahr war die einer Entdeckung durch die schwarzen Vögel. Doch nur ihr Krächzen war hin und wieder wie aus weiter Ferne zu vernehmen. Die Tiere kreisten ausschließlich über der anderen Seite des Berges.
    Endlich erreichten der Taetz und seine Begleiter die äußere Burgmauer, die an dieser Stelle knapp drei Schritt vom Abgrund entfernt aufragte. Über ihnen erhob sich ein kleiner Wachtturm mit deutlich erkennbaren Pechgußlöchern. Die Mauer selbst war aus dicken Quadern errichtet, in deren Fugen Moose ein kärgliches Dasein fristeten. Etliche kleinere Steine füllten die Zwischenräume, ohne daß irgendwo auch nur ein Spalt erkennbar gewesen wäre, der ein Hindurchschlüpfen ermöglicht hätte.
    Barborur lockerte einen kaum kopfgroßen Stein, bis er ihn schließlich ganz herausziehen konnte. Im selben Moment durchlief ein Knirschen die Mauer, und ein Durchschlupf öffnete sich, gerade groß genug, daß ein einzelner Mann in gebückter Haltung hindurchgelangen konnte. Außer einer hohen, zum Teil sogar in den Fels hineingeschlagenen Zisterne, schützten zwei flache Gebäude, vermutlich
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