Die Himmelsfestung
totenstill, nur aus weiter Ferne erklang das Wiehern eines Pferdes. Der Taetz wandte sich um – und erstarrte. Ein verhutzeltes Männchen mit viel zu großem Kopf und spöttisch funkelnden Augen stopfte sich beidhändig seinen Honig in den Mund. Mit überkreuzten Beinen saß es im Moos und grinste ihn herausfordernd an.
»Verschwinde, Fryll«, grollte Barborur.
Der Schrat dachte gar nicht daran. Sein ganzes Gesicht war bereits mit Honig verschmiert.
»Warum sollst bloß du in den Genuß solcher Leckereien kommen?« kicherte er.
»Es sind genügend Bienenvölker da. Hol dir selbst eine Wabe.« Barborur vollführte eine unmißverständliche Bewegung.
»Bleib mir bloß vom Leib, du Ungetüm«, keifte Fryll.
»Ich werde dich kopfüber in den nächsten Ameisenhaufen stecken«, versprach der Taetz.
»Das tust du nicht.« Ein klein wenig Unsicherheit schwang in Frylls Stimme mit. »Du wagst es nicht.«
»Wer sollte mich daran hindern?«
Als Barborur auf ihn zukam, sprang der Schrat entsetzt auf und streckte ihm seinen Stock entgegen, der sich augenblicklich in eine bösartig zischende Schlange verwandelte. Ein solch dunkelgrün schillerndes Reptil von gut sechs Schritt Länge hatte der Taetz nie zuvor gesehen. Fryll bemerkte sein Zögern.
»Sie ist giftig. Du solltest es nicht darauf ankommen lassen.«
Barborur stieß ein unwilliges Brummen aus und ließ sich auf alle viere niedersinken. »Wir könnten teilen«, sagte er.
»Genau das wollte ich auch eben vorschlagen.« Über die Züge des Schrats huschte ein spöttisches Aufleuchten.
*
»Du könntest mich ein Stück Wegs mitnehmen«, stieß Fryll nach einer Weile hervor.
»Du meinst, ich soll dich tragen?«
»Wenn du es so ausdrücken willst, meinetwegen.«
Barborur ächzte leise. Niemand konnte einem Schrat lange gram sein. Außerdem waren Taetze wie er gutmütige Gesellen.
»Wohin willst du?«
»Hierhin und dahin«, meinte Fryll. »So genau weiß ich es selbst noch nicht.«
»Ich muß zur Himmelsfestung.«
»Hm«, nickte der Schrat gnädig. »Mit der Richtung bin ich einverstanden.«
Sie boten ein seltsames Bild, wie Barborur auf allen vieren durch den Wald eilte und Fryll in seinem Nacken kauerte und sich mit einer Hand krampfhaft festhielt. Mit der anderen schrieb er magische Zeichen in die Luft.
Irgendwann hörten sie vor sich Kampfgeräusche.
»Wir sollten nachsehen, wer sich da in den Haaren liegt«, sagte Fryll.
»Vermutlich sind es Mangoreiter – wenn sie dich erwischen, ist es aus mit dir.«
»Pah. Ich weiß mich recht gut zu verteidigen. Worauf wartest du noch?«
Barborur trottete weiter. Zur Rechten wuchsen turmhohe Felsen auf, die den Anschein erweckten, als hätte die Hand eines Riesen sie willkürlich durcheinander gewürfelt. Sie bildeten ein zwar steiles aber durchaus zugängliches Labyrinth. Daran anschließend erstreckte sich eine Schonung, die erst weiter entfernt in den Hochwald überging. Von dort erklangen das Klirren von Äxten und Schwertern und die Schreie der Kämpfenden. Manchmal blitzte eine Rüstung auf, dann wieder sah man die dunklen Umhänge von Mangokriegern.
»Es sind Lichtkämpfer«, stellte Barborur fest. »Trotzdem dürfen wir ihnen nicht beistehen.«
»Du überläßt sie ihrem Schicksal?«
»Willst du gegen eine Übermacht kämpfen?«
»Nein«, machte Fryll überrascht. »Wie könnte ich?«
Doch einer der Mangoreiter hatte sie bereits entdeckt und kam in vollem Galopp auf sie zu. Er schwang eine zweischneidige Streitaxt.
Barborur wartete bis zum letzten Moment, um dann erst der tödlichen Klinge auszuweichen. Fryll verlor dabei den Halt und schlug hart auf.
Der Reiter riß sein Pferd herum. Nicht ein Laut drang über seine Lippen. Barborur richtete sich auf und erwartete den neuerlichen Angriff.
Die Augen des Mangokriegers triumphierten, aber der Taetz ergriff blitzschnell die Flucht. Der gegen ihn geführte Axthieb ging fehl. Einen flüchtigen Moment lang mußte der Angreifer um sein Gleichgewicht kämpfen, und noch bevor er die Waffe wieder hochreißen konnte, warf Barborur sich herum und riß ihn vom Pferd. Im Liegen hieb der Krieger gegen den Taetz und fügte ihm eine blutende Wunde quer über den Oberkörper zu.
Fryll schrie entsetzt auf. Keuchend drangen Barborur und der Mangoreiter aufeinander ein. Der scharfen Klinge des einen und seiner Geschicklichkeit im Umgang mit der Waffe stand die sicherlich überlegene Körperkraft des anderen gegenüber. Es war ein verzweifelter, stummer Zweikampf,
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