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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Autoren: Astrid Fritz
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seien? An diesem Punkt geriet Catharinas Redestrom das einzige Mal ins Stocken. Sie musste Namen nennen, heilige Mutter Gottes, jetzt musste sie Namen nennen.
    Die meisten habe sie nicht gekannt, flüsterte sie zögernd, bis auf die Vischerin, die Mößmerin und die Wolffartin. Ja, die seien jedes Mal dabei gewesen.
    Catharina ließ den Kopf auf die Brust sinken und schwieg. Befriedigt rieb sich Frauenfelder die Hände.
    «Zum Schluss gestehen die Weiber doch alle. Immer wieder zeigt sich», dozierte er, «wie Recht unser ehrwürdiger Institoris hatte: So leichtgläubig und schnell verführbar die Weiber sind, so wenig Stärke und Widerstand zeigen sie bei der Tortur. Wie schreibt er doch in seinem großen Werk, dem Malleus maleficarum? Die Frauen seien in allen Kräften, der Seele wie des Leibes, mangelhaft.»
    Wimmerlin nickte eifrig. Die Bewunderung für Frauenfelders Ausführungen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Der Commissarius stieß ihn in die Seite.
    «Habt Ihr alle Aussagen verzeichnet, Wimmerlin? Bis morgen müsst Ihr das Protokoll ins Reine geschrieben haben. Und Ihr», wandte er sich an Catharina, «werdet, sobald Euch der Henker einigermaßen wiederhergestellt hat, Eure Urgicht ordnungsgemäß vor den sieben Zeugen bestätigen.»
    Durch dichten blaugrauen Nebel sah Catharina, dass die Männer, bis auf den Sohn des Henkers, den Keller verließen. Dann schloss sie die Augen. Plötzlich durchfuhr sie ein höllischer Schmerz: Jemand hatte sie unsanft auf ihren wunden Rücken gedreht, und ein schweres Gewicht ließ sich auf ihren geschundenen Körper nieder. Sie glaubte im ersten Moment, dass die Folter nun fortgesetzt würde. Doch es war der Henkerssohn, der sich keuchend, mit offenem Hosenlatz, auf sie gelegt hatte und nun versuchte, in sie einzudringen.
    «Mal schauen, ob dir dein Teufelsbuhle zu Hilfe kommt, vermaledeite Hure. Mir jedenfalls macht er keine Angst. Verdammt nochmal, mach die Beine breit!»

    Volle fünf Tage verbrachte Catharina noch in der Dunkelheit des Christoffelturms, fünf Tage, in denen der Scharfrichter ihre ausgekugelten Glieder wieder einrenkte, den Verband ihrer zerquetschten Finger wechselte, mit Öl aus Alraun und Zaubernuss das brandig gewordene linke Bein behandelte und die eitrigen Schwären am Rücken reinigte. Mit einem Geheimrezept aus Baldrian, Haselwurz, Steinbrech und einer Spur Schierling linderte er ihr Fieber und ihre Schmerzen. Der Alte verstand sein Handwerk, denn er hatte nicht nur das Töten, sondern auch das Heilen gelernt.
    Doch von all dem, was in diesen fünf Tagen mit ihr geschah, nahm sie kaum etwas wahr. Sie wusste nicht, dass nur wenige Schritte neben ihr ihre todkranke Freundin Margaretha Mößmerin in Ketten lag und ein Stockwerk unter ihr die Witwe des reichen Tuchhändlers, Anna Wolffartin. Einen ihrer wenigen klaren Momente hatte sie, als eines Morgens der Untersuchungsrichter mit sieben Zeugen in ihrem Gefängnis aufmarschierte und ihre unter der Folter erpresste Urgicht verlas. Erstaunt lauschte sie den Sätzen, die aus ihrem Mund stammen sollten. Fremde Worte, seltsame Dinge, die augenscheinlich mit ihr zu tun hatten. Sie schüttelte den Kopf, nein, das könne nicht von ihr sein. Kurz darauf erschien der Henker mit den Beinschrauben, die er an ihr gesundes Bein anlegte, und es bedurfte eines einzigen Zugs der Schraube, um Catharina im Namen Gottes bekennen und die genannten Verbrechen bestätigen zu lassen. Dann bat sie, ihr Testament machen zu dürfen und dass ein Priester sie aufsuche. Der Priester kam am selben Tag, er war nicht allein.
    «Gute Frau, habt Ihr noch einen Wunsch, den ich Euch in den nächsten Tagen erfüllen könnte?» Textors Stimme zitterte.
    «Nein – nichts, es ist – vorbei. Warum – nur?»
    Catharina hatte Mühe zu sprechen. Plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper.
    «Oder doch. Einen Brief an meine Freundin Lene Schillerin. Sie – ihre Kinder – meine Tochter – sollen wissen, dass ich unschuldig bin.»
    Textor nickte. «Das wird sich machen lassen.»
    Nachdem die Männer gegangen waren, fiel sie wieder in ihren Dämmerzustand. Einzig die Besuche Textors brachten Licht in ihren Kerker, rissen sie aus ihrer Bewusstlosigkeit. Unter Textors Feder füllte sich Seite um Seite, Blatt um Blatt mit Worten, die voller Hast und ohne Unterbrechung aus Catharinas Innerstem strömten.
    «Nur langsam», beruhigte sie Textor immer wieder. «Wir haben Zeit. Dieses eine Mal noch haben wir Zeit. Vergesst nicht, in den Augen
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