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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Autoren: Astrid Fritz
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erstlich wahr sei, dass vor zehn Jahren ein schwarzer Mann zu ihr in den Garten spät gegen Abend gekommen sei und an sie begehrt habe, sie solle seines Willens mit ihm pflegen. Das habe sie getan, und er sei kalter Natur gewesen.
    Item sei wahr, derselbe hab sich mit Namen Hemmerlin genannt und ihr Stecken und Salbe in einem Büchslein geben, den Stecken oder die Gabel damit zu salben.
    Item sei wahr, dass sie auf demselbigen Stecken vergangener Jahre hinaus in den Bromberg gefahren, dass die Stadellmenin, die Wolffartin, auch Schneckenanna genannt, und sonst viel andere Weiber, die sie nicht kenne, bei ihr gewesen seien, und haben daselbst gegessen und getrunken.
    Item sei wahr …»
    Gespannt starrte die Menge während dieser endlosen Litanei auf die drei Frauen, wie sie sich wohl aufführen würden, jetzt, wo ihnen in aller Öffentlichkeit ihre Schandtaten vorgehalten wurden. Doch keine von ihnen regte sich, wie Mehlsäcke lagen sie aneinander, die Köpfe zur Brust gesenkt. Waren sie überhaupt noch bei Bewusstsein?
    Textor spürte, wie sich sein Herz zusammenzog. Zu Hause, in seiner Eichenholztruhe, stapelten sich Hunderte von eng beschriebenen Blättern, ein dickes Bündel Papier, das die Wahrheit über diese Frauen enthielt. Eine Wahrheit, die niemand hören wollte. Doch eines Tages würde man diesen Zeilen Glauben schenken müssen, und er, Carolus Textor, würde sich mit all seiner Kraft dafür einsetzen. Gleich morgen würde er beginnen, alles ins Reine zu schreiben und besagter Lene Schillerin in Konstanz eine Abschrift zukommen zu lassen.
    «Nicht einmal in ihrer letzten Stunde zeigen sie Bußfertigkeit», flüsterte eine alte Frau neben ihm erbost. «Wie sollen sie auch», gab eine andere zurück. «Wo ihnen der Leibhaftige doch bis zuletzt zur Seite steht.»
    Textor sah, wie sich der hagere Mann in der zerschlissenen schwarzen Kutte nach vorn schob. Sein Blick war fest auf Catharina Stadellmenin gerichtet, seine Worte übertönten Wimmerlins Stimme:
    «Hab keine Angst, ich bin bei dir.»
    Langsam hob die Stadellmenin den Kopf. Mit geröteten Augen und zerschlagenem Gesicht betrachtete sie den Mann vor sich, und plötzlich schien sie zu erkennen, schien sich zu erinnern und begann zu lächeln, wie beim Anblick eines unerwarteten Glücks. Ihre Lippen formten lautlose Worte, und Textor fragte sich, ob sie Zwiesprache mit ihrem Gegenüber oder mit Gott hielt.
    Wimmerlin sprach schneller und warf immer wieder ängstliche Blicke auf die Menge, die zusehends unruhiger wurde. «Anfangen!» «Entzündet das Feuer!» «Worauf wartet Ihr noch, in die Flammen mit den verdammten Hexen!»
    Auf einen Wink des Schultheiß pflanzte sich die Stadtwache breitbeinig vor dem Henkerskarren auf und drängte die Leute mit gekreuzten Lanzen zurück. Da läutete ein Glöckchen. Der Schultheiß erhob sich, trat unter den mächtigen Torbogen des Portals und hob zur Urteilsverkündung einen zierlichen Stab in die Höhe. Augenblicklich trat Ruhe ein. Wimmerlin räusperte sich und versuchte seiner Stimme einen strengen und zugleich feierlichen Klang zu geben.
    «Bürger Freiburgs, hört nun das Urteil:
    Nach solchem Bekennen wird vom Hohen Gericht zu Recht erkannt, dass Margaretha Mößmerin, Herrn Jacob Bauren seligen Witwe, Anna Wolffartin, Alexander Schellen seligen Witwe, und Catharina Stadellmenin, Michael Bantzers seligen Witwe, als Hexen überführt sind und dieselbigen um ihre begangene Missetat und getriebener Hexerei willen erstlich aus Gnaden auf geschehene Fürbitte auf dem Schutzrain enthauptet, danach hinaus zum Hochgericht geführt und daselbst die Körper zu Asche verbrannt werden sollen. Gott verzeihe der armen Seelen. Amen.»
    «Amen», kam es aus Hunderten von Kehlen rau zurück. Dumpfe Trommelwirbel ertönten, dann zerbrach der Schultheiß den Stab und warf ihn vor den Henkerskarren aufs Pflaster. Das war das Zeichen zum Aufbruch. Die Menschenmenge setzte sich in Bewegung wie ein schwerfälliges Tier und schob sich durch die Gassen zum Schutzrain, der vor der äußeren Stadtmauer lag. Fast Schulter an Schulter ging Textor mit dem Mann in der Kutte.
    Als der Henker das in schwarzes Tuch gehüllte Richtschwert vom Wagen nahm, erschien der Priester. Vom Pferd herab schwang er sein Kruzifix. «Ora pro nobis», hob er an, doch seine Stimme ging unter im Lärm der Topfdeckel und Rasseln.
    Dann, als Catharina Stadellmenin zwischen den beiden anderen Frauen vor dem Richtblock kniete und der Henker sein Schwert hob, wurde
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