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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog
Autoren: Brigitte Riebe
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Günther, ein wohlhabender Fuhrunternehmer, der oftmals Gast im »Goldenen Engel« gewesen war.
    Lena entschloss sich, das als gutes Zeichen zu nehmen.
    Das Gericht schien bereits vollständig versammelt, als sie hineingeführt wurde. Um einen langen Tisch waren viele Männer versammelt, von denen sie nur wenige kannte; in ihrer Mitte aufrecht der Inquisitor, der sie kalt musterte.
    An einem kleineren Tisch hatte der Bischof Platz genommen, dessen gütiges Gesicht mit der markanten Nase ihr noch von der herzoglichen Hochzeit her in guter Erinnerung geblieben war. Neben Golser – der Herzog!
    Lenas Herz schien für einen Moment stillzustehen, um dann umso härter gegen die Rippen zu schlagen. Sigmund schaute sie so freundlich an, als wolle er ihr Mut einflößen. Aber konnte sie darauf rechnen, nach allem, was geschehen war?
    Wo war Johannes – ihre Stütze, der Mann ihres Vertrauens, ihre Liebe?
    Der stürmte in den Raum, als sie die Hoffnung schon beinahe aufgegeben hatte, lief direkt zu Herzog Sigmund und flüsterte ihm etwas zu, was diesen fahl werden und ungläubig den Kopf schütteln ließ.
    »Wir beginnen mit der Vernehmung von Lena Schätzlin.« Kramer schien entschlossen, sich nicht länger aufhalten zu lassen. »Gegen die die allerschwersten Anklagepunkte wegen Hexerei und Zauberkunst vorliegen. Im Besonderen möchte ich auf die letzte Johanninacht zurückkommen …«
    Da war auf einmal ein Rauschen in Lenas Ohren, das anschwoll, bis die eisige Stimme des Paters nur noch wie ein leises Flüstern klang. Jetzt würde zur Sprache kommen, wovor sie sich so sehr gefürchtet hatte: dass sie beinahe Niklas beigelegen hätte, ihrem eigenen Bruder.
    »Hast du mich verstanden?«, riss Kramers Stimme sie aus ihren Erinnerungen.
    Es blieb Lena nichts anderes übrig, als den Kopf zu schütteln.
    »Dann frage ich dich noch einmal, Lena Schätzlin, Tochter des verstorbenen Hauers Georg Schätzlin und seiner Frau Johanna …«
    »Das bin ich nicht.« Hatte sie das wirklich gerade gesagt?
    Keiner im Raum, der sie nicht angestarrt hätte.
    »Was soll diese unverschämte Lüge?«, erregte sich Kramer. »Damit machst du alles nur noch schlimmer.«
    »Ich lüge nicht. Georg und Johanna Schätzlin haben mich lediglich an Kindes statt angenommen. Meine wahre Mutter ist Els Hufeysen, die Wirtin vom ›Goldenen Engel‹. Und mein Vater« – ihr Blick flog zum Tisch, an dem der Herzog Platz genommen hatte – »ist Seine Hoheit, Erzherzog Sigmund von Tirol.«
    Es war kein Raunen, das sich jetzt erhob, sondern lautstarkes Durcheinander, das der Herzog mit einer raschen Handbewegung zum Verstummen brachte.
    »Sie sagt die Wahrheit«, rief er. »Lena ist mein Kind. Ich erkenne sie hiermit offiziell an. Und sie hat auch niemals versucht, mich und meine Gemahlin zu vergiften, das weiß ich heute. Wir alle sind hinters Licht geführt worden von einer rachsüchtigen, hinterhältigen Person, die ihre Schandtaten heimlich eingefädelt und es dann trefflich verstanden hat, die Schuld auf Lena abzuwälzen. Aber Lena ist unschuldig; sie hat niemals einen Anschlag auf uns geplant, geschweige denn durchgeführt.«
    »Wieso erfahre ich erst jetzt davon?« Kramer schien nach Worten zu ringen.
    »Weil ich selbst es erst seit Kurzem weiß«, erwiderte der Herzog. »Diese gewisse Person kann übrigens, wie ich soeben erfahren habe, von keinem irdischen Gericht mehr belangt werden. Sie scheint es vorgezogen haben, sich einer gerechten Strafe durch feigen Selbstmord zu entziehen. Man hat ihre Sachen am Flussufer gefunden. Irgendwann wird der Inn ihre Leiche sicherlich wieder freigeben.«
    »Ihr konfrontiert uns hier mit ungeheuerlichen Wendungen, Euer Hoheit«, fuhr Kramer nach einer Weile sichtlich angegriffen fort, »und doch sind selbst diese nicht dazu angetan, die Angeklagte reinzuwaschen, mag sie nun Euer eigen Fleisch und Blut sein oder nicht. Lena...« Er zögerte plötzlich, wusste offenbar nicht mehr, wie er weiterfahren sollte. »Die junge Frau, uns bislang als Lena Schätzlin bekannt …«
    »Ich denke, wir haben genug gehört«, fiel Johannes Merwais dem Pater ins Wort. »Es ist allerhöchste Zeit, diesem unwürdigen Verfahren ein Ende zu bereiten.«
    »Unwürdig? Was nehmt Ihr Euch heraus! Seid Ihr wahnsinnig geworden, Merwais?«, herrschte Kramer den Juristen an. »Ich führe als Inquisitor diesen Prozess.«
    »Ihr habt ihn bislang geführt, Pater Institoris«, korrigierte ihn Johannes Merwais. »Mit vielerlei Verstößen gegen das
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