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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog
Autoren: Brigitte Riebe
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geltende Recht, wie Ihr gleich erkennen werdet.« Eine knappe Verbeugung zu Herzog und Bischof, dann nahm er seine Liste zur Hand und begann aufzuzählen: »Leider habt Ihr versäumt, bei den Zeugenverhören einen öffentlichen Notar hinzuziehen, wie die päpstliche Bulle es vorsieht. Zudem habt Ihr Fragen über Vergehen gestellt, die nicht in Euren Wirkungskreis gehören und über die auch die Bulle nichts aussagt, ein Verstoß, den jeder der hier Anwesenden bezeugen wird. Außerdem habt Ihr Euch nicht der notwendigen Mühe unterzogen, die Zeugenaussagen nachzuprüfen, sondern alles als wahr und so geschehen genommen, was man Euch zugetragen hat, auch wenn es ganz offensichtlich niedrigen Beweggründen wie Hass oder Rachsucht entsprang.«
    Kramer starrte den Juristen an wie eine Erscheinung.
    »Ferner spricht weiterhin gegen Euch, dass Ihr die Angeklagten habt einkerkern lassen, bevor noch in rechtlicher Weise das Prozessverfahren gegen sie eingeleitet worden war. Auch das eine grobe Kompetenzüberschreitung, die Euch hier und heute zur Last gelegt werden muss. Und Ihr habt es als fünftes und letztes Vergehen nicht für nötig befunden, die Niederschrift der Verhöre von einem öffentlichen Notar beglaubigen zu lassen.« Merwais’ Blick wurde zwingend. »Aus diesem Grund erkläre ich Euch als Richter in diesem Verfahren für parteiisch und beantrage, dass mit sofortiger Wirkung statt Euch ein neuer, unparteiischer Richter eingesetzt wird. Seine Exzellenz Bischof Golser wird so freundlich sein, uns noch heute einen dementsprechenden Vorschlag zu unterbreiten.«
    »Das ist doch vollkommen absurd!«, schrie Kramer. »So ein billiger Winkeladvokat wie Ihr dürfte niemals …«
    »Ich fürchte, da irrt Ihr Euch«, ergriff Bischof Golser das Wort. »Doktor Merwais ist ein Meister seines Fachs – und er hat recht mit jedem Wort, das er gesagt hat.«
    Der Jurist schaute kurz zu Lena, in deren Augen sich Liebe und tiefe Erleichterung spiegelte, dann erhob er unbeirrt die Stimme: »Hiermit beantrage ich, die Angeklagten auf der Stelle in Freiheit zu setzen.«
    »Einspruch!«, bellte Kramer. »Noch ist das letzte Wort in dieser Angelegenheit nicht gesprochen. Ich werde mich an den Papst wenden, an den Kaiser …«
    »Die Frauen sollen augenblicklich aus dem Kerker entlassen werden«, beschied Bischof Golser. »Und vorerst unter menschlicheren Bedingungen in leichter Haft verwahrt bleiben, bis eine neue Kommission ein endgültiges Urteil gefällt hat. Ich verbürge mich persönlich dafür, dass dies zügig geschehen wird.« Er wandte sich zu Kramer und sah plötzlich sehr streng aus. »Ein Urteil, mit dem Ihr zu leben lernen müsst, Pater Heinrich, ob es Euch nun zusagt oder nicht.«

     
    Windböen fegten durch die Stadt, als die Frauen die Freiheit wiedererlangten. Die letzten Tage hatten sie im Haus von Conrad Günther zugebracht, der es für diesen Zweck gern zur Verfügung stellte, eine Wohltat für sie nach der Schreckenszeit im Loch.
    Johannes Merwais überbrachte ihnen die freudige Botschaft, sehnlichst erwartet von Lena, die ihm sofort um den Hals flog.
    »Christian Turner hat das endgültige Urteil verkündet«, sagte er, als alle ihn umstanden und neugierig an seinen Lippen hingen. »Der Prozess gegen euch ist nicht nach den Rechtsnormen geführt worden und musste daher für null und nichtig erklärt werden.«
    »Wir sind frei?«, rief Els, der Freudentränen über die Wangen liefen. »Alle – frei?«
    »Ihr hattet zudem viele wohlmeinende Fürsprecher«, sagte Johannes. »Wichtige Männer dieser Stadt haben sich bereit erklärt, als eure Bürgen aufzutreten. Eure Standhaftigkeit, vor allem aber auch der Aufstand eurer Mitbürger hat vieles bewirkt. Keiner hier in Innsbruck will auf einmal mehr so recht an die Existenz von Hexen glauben.« Er senkte seine Stimme. »Und die alte Kapelle ist längst wieder allen zugänglich. Zu Füßen der Bethen leuchtet ein Meer von frischen Kerzen, wärmer und heller als je zuvor.« Jetzt galt sein Blick nur noch Lena. »Der Herzog hat sich bereit erklärt, alle Prozesskosten zu übernehmen«, fuhr er fort, »und mich in die Hofkanzlei versetzt. Sieht ganz so aus, als sei er zufrieden mit meiner Arbeit.« Er zog etwas aus seiner Tasche. »Das schickt dir die Herzogin, mein Herz. Sie meinte, wir beide könnten es gut gebrauchen.«
    Er streifte ihr einen Ring über. Der schmale goldene Reif mit dem roten Stein passte genau an ihren Mittelfinger. Lenas Augen strahlten vor
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