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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire
Autoren: Emily Carmichael
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einer schönen Frau für tückische Waffen!
    Der kleine Familiensaal war so gut wie leer. Überrascht stellte Rorik fest, daß als einzige Person Gunnor, die Stiefschwester seine Frau, das Morgenmahl einnahm. Er nickte ihr kurz zu, während er sich ein herzhaftes Stück Brot abbrach und dazu ein Stück von dem runden Käse abschnitt.
    »Seid Ihr heute morgen ausgeritten?« fragte er.
    »Ja, Mylord«, antwortete sie knapp.
    Tatsächlich sah Gunnor bleich und abgehärmt aus, als hätte sie einen Nachtritt hinter sich. Er fragte sich, was wohl diese Frau umtrieb, daß sie so früh aus den Federn war. Es war ihre Art, im Bett zu verweilen, bis die Sonne hoch am Himmel stand. Vor einigen Nächten hatte ihm Alaine in der Ohren gelegen, ihrer Stiefschwester einen Mann zu suchen, doch hatte er dem wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
    »Ihr solltet nicht ohne Begleitung diese Mauern verlassen, Gunnor«, brummte er, »die Straßen sind noch nicht so ungefährlich, daß eine Dame ohne einen Schutz in der Nähe sicher sein könnte.«
    »Ich denke daran, Mylord«, versprach Gunnor halbherzig. Seltsam, daß dieser Mann, von dem sie keine hohe Meinung hatte, sich über ihre Sicherheit Gedanken machte, wenn auch nur flüchtig. Gilbert hingegen, der vorgab, sie zu lieben, hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als er sie aufgefordert hatte, durch den dunklen Wald zu ihm zu kommen. Doch Gilbert liebte sie. Hatte er ihr das nicht durch seine Lust und Begierde bewiesen?
    »Ist meine Stiefschwester krank, daß sie nicht an diesen Tisch kommt?«
    »Sie schläft tief und fest«, antwortete er. »Das Kind wächst und gedeiht, und die Pflichten hier auf Brix sind eine ständige Belastung für sie. Sie bekommt nicht genügend Ruhe.«
    »Es wäre vielleicht vernünftig, meine Mutter nach Brix zu bitten, bis Alaine glücklich entbunden hat.«
    »Nein«, wehrte Rorik mit einer Handbewegung ihren Vorschlag ab, von dem sie sich viel versprochen hatte. »Eure Mutter muß Mathilde aushelfen, die, so wage ich zu behaupten, nicht über das hausfrauliche Können verfügt wie Alaine. Es sind hier genügend Frauen vorhanden, die ihr helfen werden, wenn ihre Zeit gekommen ist. Die alte Hebamme von Ste. Claire – Ruth ist ihr Name – wird in einer Woche herkommen. Vielleicht schicke ich nach Joanna, wenn das Kind zur Welt gekommen ist, sollte dies meine Gemahlin wünschen.«
    »Ich würde gerne bleiben und helfen, Mylord.«
    Rorik machte sich nicht die Mühe, darauf eine Antwort zu geben.
    »Ach, ich kenne Eure Gedanken«, bemerkte Gunnor mit einem kalten Lächeln. »Sicherlich würde meine Stiefschwester meine Abwesenheit mehr erfreuen.«
    Als hätte die Erwähnung ihres Namens sie herbeigelockt, kam Alaine die Treppe herunter. Sie war schon recht rund, doch hatte sie noch nicht ihre natürliche Anmut verloren. Rorik staunte, wie leichtfüßig sie einherschritt, obwohl sich ihr Bauch erheblich nach vorne wölbte. Er erhob sich, um ihr am Treppenabsatz zu begegnen, dann begleitete er sie zu ihrem Prunksessel auf dem Podium. Erstaunt hob sie die Brauen, als sie neben ihrem Mann Gunnor am Tisch sitzend vorfand, die blaß und gar nicht glücklich dreinschaute.
    »Du siehst aus, als hättest du gar nicht geschlafen, Gunnor«, bemerkte sie milde.
    »Doch du siehst diesen Morgen sehr wohl aus«, begrüßte sie Gunnor höflich. »Das Kinderkriegen scheint dir zu bekommen.« Den Kühen und den Schweinen bekommt es ebenso, dachte sie bei sich.
    Rorik schüttelte den Kopf, herzhaft gelangweilt von dem Frauengeschwätz. Er leerte die letzten Tropfen seines Apfelweins und knallte den Krug auf den Tisch. Er schickte sich gerade zum Gehen an, um sich in unterhaltsamere Gesellschaft zu begeben, als der Wachtposten des inneren Burgtores eintrat und knapp salutierte.
    »Mylord, ein Bote des guten Herzog William bittet mit Euch sprechen zu dürfen.«
    Rorik bedeutete, den Mann hereinzulassen. Ein schlanker Jüngling trat aufs Podium zu und grüßte respektvoll. Seine Schultern waren vor Erschöpfung nach vorne gebeugt, Straßenschmutz klebte an ihm, doch die Pergamentrolle in seiner Hand war sauber und der Siegel heil.
    »Ihro Gnaden, Herzog William der Normandie, entsendet Euch seine Grüße«, gab der Bote bekannt. »Er beglückwünscht Euch zu Eurem Erfolg, das rebellische Land befriedet zu haben, zudem wünscht er Euch darüber zu unterrichten, daß Phillip, Fulks Sohn, Usurpator der herzoglichen Rechte, die Ihr verwaltet, in England gesichtet worden ist. William
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