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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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sie lächeln. »Ja«, antwortete sie. »Ich werde gleich das Boot rufen, das uns übersetzt.«
    »Nein, noch nicht! Bitte ... « Er sah sie trotzig an.
    Die schrägen Sonnenstrahlen tanzten auf den von der Sommersonne gebleichten Strähnen seiner dunkelbraunen Haare. Der Junge hatte sich verändert. Für einen Zehnjährigen war er sehr groß, und sein Körper mit den linkischen Händen und Füßen hatte noch nicht Schritt gehalten. Das ausgeprägte Kinn stand in einem seltsamen Mißverhältnis zu dem Kindergesicht. Kein Wunder, daß die Zähne riesig wirkten.
    »Du hast versprochen, mir wenigstens ein paar meiner Fragen zu beantworten, bevor ich auf den Tor hinaufsteige. Was soll ich denn sagen, wenn sie von mir wissen wollen, warum ich gekommen bin? Ich kenne nicht einmal meinen richtigen Namen!« rief er, und es klang eher verzweifelt als anklagend.
    In diesem Augenblick glichen seine grauen Augen so sehr den Augen seiner Mutter, daß Cailleans Herz einen Schlag aussetzte.
    Er hat recht , dachte sie und seufzte. Ich habe es ihm versprochen ... Unterwegs war Caillean sehr wortkarg gewesen. Kummer und Erschöpfung lasteten schwer wie Blei auf ihr, und die Reise schien mit jedem Tag mühsamer zu werden. Vernemeton war endgültig verloren und mit dem Heiligtum der Mittelpunkt ihres Daseins. Sie hatte versagt und konnte nur noch in eine ungewisse Zukunft fliehen.
    »Du heißt Gawen«, erwiderte Caillean freundlich. »Unter diesem Namen hat deine Mutter deinen Vater kennen gelernt. Deshalb nannte sie dich ›Gawen‹.«
    »Aber mein Vater war Römer!« Seine Stimme schwankte, als wisse er nicht, ob er deshalb stolz sein oder sich schämen sollte.
    »Richtig, und da er keinen anderen Sohn hatte, würdest du bei den Römern ›Gaius Macellius Severus‹ heißen wie er und sein Vater vor ihm. Du mußt dich nicht schämen, denn bei den Römern steht dieser Name in hohem Ansehen. Ich weiß von deinem Großvater, daß er ein guter und ehrenhafter Mann ist. Deine Großmutter war eine Fürstentochter der Siluren. Sie nannte ihren Sohn Gawen.«
    Gawen musterte sie nachdenklich. »Ja, schon ... , aber auf der Druideninsel geht es nicht um den Namen meines Vaters.« Er drehte sich verlegen um und fragte leise: »Ist es wirklich wahr?« Er schluckte, und als er fortfuhr, kostete es ihn große Überwindung zu sprechen. »Als ich noch in Vernemeton war, haben die Frauen behauptet ... « Die Stimme versagte ihm den Dienst. Er hustete und fragte dann heiser: »Stimmt es, daß sie ... ich meine, die Hohepriesterin ... meine Mutter ist?«
    Caillean erwiderte unbewegt den fragenden Blick und dachte daran, welche Mühe Eilan sich gegeben hatte, das Geheimnis zu hüten. »Es ist wahr.«
    Gawen nickte. Nach einem tiefen Seufzen wich etwas von seiner Spannung. »Ich habe mich das oft gefragt und davon geträumt ... Die anderen Kinder, die in Vernemeton erzogen wurden, prahlten immer damit, daß ihre Mütter Königinnen seien oder ihre Väter Fürsten, die sie eines Tages zu sich nehmen würden. Auch ich habe mir solche Geschichten ausgedacht ... « Gawen schien mit den Tränen zu kämpfen und biß sich auf die Lippen. Schließlich sagte er leise, und es klang wie ein Geständnis: »Die Hohepriesterin war immer freundlich zu mir, und in meinen Träumen war sie die Mutter, die nachts zu mir kam ... «
    »Sie hat dich geliebt.« Caillean wollte ihn mit ihren Worten die Zärtlichkeit spüren lassen, die sie sich ihm gegenüber stets versagt hatte.
    »Warum hat sie mich dann nie als ihren Sohn anerkannt? Warum hat mein Vater sie nicht geheiratet, wenn er ein so angesehener und ehrbarer Mann war?«
    Caillean erwiderte ernst: »Er war Römer, und die Priesterinnen von Vernemeton haben geschworen, nie zu heiraten. Sie durften nicht einmal Kinder von den Männern der Stämme haben. Wenn deine Herkunft bekannt geworden wäre, hätte deine Mutter sterben müssen.«
    »Sie ist gestorben ... «, flüsterte er und wirkte plötzlich sehr viel älter. »Hat man das Geheimnis entdeckt und sie getötet? Ist sie meinetwegen tot?«
    »Ach, Gawen ... « Von Mitleid erfaßt, wollte ihn Caillean in die Arme nehmen, aber er wich vor ihr zurück. Sie nahm es ihm nicht übel. »Es gab viele Gründe. Du wirst das alles besser verstehen, wenn du erwachsen bist.« Sie preßte die Lippen zusammen, denn sie wollte nicht zuviel sagen. Die Entdeckung, daß Gawen der Sohn der Hohepriesterin von Vernemeton war, hatte in der Tat wie ein Funken gewirkt, der das Feuer der
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