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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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hilflos mitangesehen, wie meine kleine Tochter gestorben ist, und ich konnte nichts tun ... « sagte Viviane mit entschlossener Stimme. »Ich werde dich nicht kampflos gehen lassen, Herrin von Avalon!«
    Es entstand eine Pause. »Ich bin für jeden Vorschlag offen«, sagte Ana mit dem Anflug eines Lächelns. »Ich habe dich nie geschont, und es ist nur passend, daß du mir jetzt die Befehle gibst. Aber es steht mehr als mein Leben auf dem Spiel. Wenn nichts anderes hilft, dann mußt du meinen Leib aufschneiden und das Kind herausholen.«
    »Ich habe bei den Römern davon gehört. Aber das kostet der Mutter das Leben!« rief Viviane.
    Ana zuckte die Schultern. »Man sagt, die Hohepriesterin weiß, wann ihre Zeit gekommen ist. Vielleicht haben wir dieses Wissen verloren. Die Vernunft sagt mir jedoch, daß das Kind und ich ohnehin sterben werden, wenn es nicht geboren wird. Noch lebt es. Ich kann spüren, wie es sich bewegt. Aber es wird nicht am Leben bleiben, wenn die Wehen zu lange dauern. Ich habe bald keine Kraft mehr.«
    Viviane schüttelte den Kopf. »Das hatte ich befürchtet, als ich dich bat, es loszuwerden!«
    »Meine Tochter, verstehst du es immer noch nicht? Ich wußte, was ich riskierte, so wie du es wußtest, als du dich im Tanz der Riesen auf den Altarstein gelegt hast. Wenn ich die Gefahr nicht erkannt hätte, wäre es kein Opfer gewesen.«
    Viviane senkte den Kopf und dachte daran, was Vortimer gesagt hatte, bevor er in die Schlacht geritten war. Einen Augenblick lang sah sie einen Sinn hinter all seinen Qualen. Dann brachte der Anblick der Frau vor ihr sie wieder in die Gegenwart zurück. Der Gedanke an Vortimer hatte ihr eine Idee eingegeben. Sie nahm Anas Gesicht in beide Hände und blickte ihr in die Augen.
    »Also gut. Aber wenn du stirbst, wirst du kämpfend sterben, hörst du?«
    »Ja ... Herrin!« Ana verzog das Gesicht, als sich ihr Leib wieder verkrampfte.
    Viviane stand auf und ging zur Tür. »Ich will die Tür und die Fenster offen haben, damit sie frische Luft bekommt. Und du!« Sie deutete auf Taliesin, der vor der Tür wartete. »Hol deine Harfe und sage den anderen, sie sollen mit ihren Trommeln kommen. Ich habe erlebt, daß Musik den Männern in der Schlacht Kraft gibt. Wir werden sehen, was dein Gesang hier ausrichten kann.«
    Sie kämpften den ganzen Nachmittag im Rhythmus der Trommeln. Kurz vor Sonnenuntergang wölbte sich der Rücken der Schwangeren, sie preßte, und Viviane sah, wie sich der Gebärmuttermund etwas öffnete und den Blick auf die Rundung des Kinderkopfes freigab. Claudia stützte Ana, die mit verzerrten Zügen preßte und wieder preßte.
    »Der Kopf ist zu groß!« Rowan war verzweifelt.
    »Ich kann nicht mehr.« Ana sank nach dieser letzten Anstrengung mit einem Seufzen zurück.
    »DU KANNST!«
    Viviane war zu allem entschlossen.
    »In Brigas Namen, das Kind wird zur Welt kommen!«
    Sie legte die Hand auf den gewölbten Bauch und spürte, wie die Muskeln anfingen, sich zu bewegen.
    »JETZT!«
    Ana atmete hörbar ein, und als sie anfing zu pressen, zeichnete Viviane das alte Siegel des Lebens auf ihren Leib und drückte dann mit ganzer Kraft nach unten. Sie spürte, wie etwas nachgab, und Ana schrie.
    »Der Kopf ist draußen!« rief Rowan.
    »Halt ihn fest!« Anas Leib zog sich wieder zusammen, diesmal weniger heftig, und Viviane drückte noch einmal. Aus dem Augenwinkel sah sie das Kind hervorkommen, doch ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf Ana, die stöhnend zurückgesunken war.
    »Es ist vorbei! Du hast es geschafft!« Sie blickte über die Schulter nach hinten. »Es ist ein Mädchen!« Das Kind begann, laut zu schreien.
    »Nicht ... der Verteidiger«, keuchte Ana. »Aber sie wird ... trotzdem ... eine wichtige Rolle spielen.« Sie holte Luft, und auf ihr Gesicht trat plötzlich ein erstaunter Ausdruck. Rowan stieß einen erstickten Laut aus, und Viviane drehte sich um. Rowan hielt das Kind auf den Armen und starrte auf das hellrote Blut, das aus Anas Leib strömte.
    Viviane griff nach einem Tuch und drückte es Ana zwischen die Schenkel. Es war sofort blutgetränkt. Das Kind schrie weiter, während sie sich darum bemühten, die Blutung zum Stillstand zu bringen. Von der Frau auf dem Bett war kein Laut mehr zu hören.
    Nach einiger Zeit sickerte nur noch wenig Blut hervor. Viviane richtete sich auf und blickte auf das bleiche Gesicht ihrer Mutter. Anas Augen standen offen, aber sie sahen nichts mehr.
    Viviane schluchzte erstickt. »Warum?« flüsterte sie.
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