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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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erschöpft, »aber für Avalon müßt ihr eine andere Hohepriesterin wählen.«
    »Hältst du dich für unwürdig?« Er setzte sich neben sie. »Der Einwand hat mir nichts genützt, als die Wahl der Druiden auf mich fiel ... «
    Sie sah ihn an und hätte beinahe gelacht. »Taliesin, du bist der edelste Mann, den ich kenne, aber ich bin ein unerfahrenes junges Ding. Ich bin noch nicht so weit, daß ich diese Verantwortung übernehmen könnte. Außerdem, ich eigne mich nicht dazu, die Herrin von Avalon zu sein. Und ich will diese Aufgabe nicht. Findest du nicht auch, das sind genügend Gründe?« Das Neugeborene fiel in satten Schlaf und ließ die Brust los. Viviane zog den Schleier darüber.
    »Nein, das ist alles nicht von Bedeutung. Und das weißt du sehr wohl. Deine Mutter hat dich für diese Aufgabe ausgebildet, obwohl sie nicht damit gerechnet hat, die Macht so schnell an dich abzugeben. Du gleichst deiner Mutter, Viviane.«
    »Aber ich bin nicht Ana, Vater !« erklärte sie hartnäckig. Dann fügte sie schnell hinzu: »Vergiß nicht, du bist mein Vater! Selbst wenn es keine anderen Gründe gäbe, die dagegen sprechen, kannst du das Ritual, mit dem der oberste Druide die Hohepriesterin weiht, nicht vollziehen.«
    Taliesin runzelte die Stirn. Das hatte er in der Tat vergessen. Ana hatte ihm nie bestätigt, daß Viviane seine Tochter war, doch er war in jeder Hinsicht seit ihrem vierzehnten Jahr ihr Vater gewesen. Warum konnte sie nicht ihre Mutter sein , jetzt, wo er sie so sehr brauchte?
    Zu seiner eigenen Überraschung schlug er verzweifelt die Hände vors Gesicht und stand zitternd auf. Plötzlich verstand er sehr gut, weshalb Viviane geflohen war.
    »Vater, was ist mit dir?«
    Er hob die Hände, als versuche er, einen Schlag abzuwehren. Dann strichen seine Finger zärtlich und sehnsüchtig über ihr weiches Haar. Plötzlich richtete er sich auf, drehte sich um und ging mit großen Schritten unter den Bäumen davon
    »Vater, muß ich auch dich verlieren?« Ihr Aufschrei folgte ihm. Die kleine Morgause erwachte und begann zu weinen.
    Ja , dachte er verstört. Ich muß mich selbst verlieren, bevor ich uns allen Schande mache. Der Merlin muß mich ersetzen. Einen anderen Weg gibt es nicht ...

    Taliesin erinnerte sich später nicht mehr genau an die Stunden zwischen diesem Augenblick und dem Einbruch der Nacht. Irgendwann mußte er in seinem Zimmer gewesen sein und die Harfe geholt haben. Denn als die lange Dämmerung des Hochsommers der Dunkelheit wich, stand er mit dem Kasten aus Seehundfell am Fuß des Tors.
    Er blickte zu dem spitzen, von den Ringsteinen wie mit Zähnen umgebenen Gipfel, der schwarz im Schein des aufgehenden Mondes lag, und überantwortete seine Seele den Göttern. Er war oft dort hinaufgestiegen, und seine Füße kannten den Weg. Wenn er den Gipfel erreichte - wenn -, dann würde der Mond hoch am Himmel stehen. Und wenn er wieder herunterkam - wenn -, dann war er nicht mehr der alte Taliesin. Bei den Prüfungen vor seiner Einweihung schien der Weg nicht den Hügel hinaufzuführen, sondern durch ihn hindurch zu dem Ort, der das menschliche Fassungsvermögen überstieg und im Kern aller Wirklichkeiten lag. Damals hatte ihm der Rauch der heiligen Kräuter geholfen. Seitdem hatte er seine Seele der Musik verschrieben. Wenn die Macht der Harfe ihm nicht half, den Ort zu finden, den er suchte, würde er nie dorthin gelangen.
    Taliesin griff mit der rechten Hand im unteren Bereich in die Saiten und entlockte ihnen tiefe Klänge. Er wählte die Tonart, die für die ältesten Rituale benutzt wurde, die Harmonien, die, wenn man sie lange genug spielte, einen Weg zwischen den Welten öffneten. Mit der Linken strich er nach oben und brachte helle, tanzende Töne hervor. Wieder und wieder spielte er dieselbe Melodie. Dabei ging er langsam vorwärts. Schließlich entdeckte er im Gras einen Schimmer.
    Er spürte den festen Pfad unter seinen Füßen. Doch als er nach unten blickte, leuchteten die Lebenskräfte der Gräser zuerst um seine Waden und dann um die Knie. Die Harfe sang sein Entzücken in dem göttlichen Gesang der Entrückung, als Taliesin in den Tor schritt.
    Die heilige Insel befand sich in einer Wirklichkeit, die vielleicht eine Ebene von der Welt der Menschen entfernt war. Wenn man den Weg dorthin gefunden hatte, vergaß man, daß es jenseits von Avalon andere Ebenen und fremdere Sphären gab. Taliesin umschritt den Hügel auf der ewigen Bahn der heiligen Spiralen, und so gelangte er ins
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