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Die Herrin der Flammen

Titel: Die Herrin der Flammen
Autoren: Robert Asprin
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Myrtis traute sie es zu, doch es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, daß Kama bei irgendwelchen Spielchen anderer mitmachen würde.
    »Aber ich kann Euch nicht helfen…« klagte Illyra mitleiderregend. »Ich habe es Euch schon gesagt. Ich habe keine Karten mehr. Und ich kann auch keine ausborgen – jedes Päckchen ist auf die S’danzo abgestimmt, der es gehört. Meine hatte ich von meiner Großmutter, und es gibt keinen S’danzokünstler, der ein neues Päckchen für mich malen könnte.«
    Kama starrte sie an. Dann wanderten ihre grauen Augen nachdenklich von der S’danzo zu Gilla und zurück.
    »Aber Ihr wißt, wie die Karten aussehen müssen…«
    Nun starrte Illyra sie an.
    »Und ihr Mann ist ein Maler, der sogar gewisse Kräfte haben soll…« Als Kama fortfuhr, las Gilla in Illyras Gesicht ihre eigene, bestürzende Erkenntnis, daß sie beide noch jemanden hatten, durch den man Druck auf sie ausüben konnte.
    »Molin Fackelhalter ist des Malers Gönner. Er wird Lalo zu Euch schicken, und gemeinsam werdet ihr ein neues Päckchen Karten anfertigen. Und dann…« Kama verzog die Lippen zu etwas, das sie für ein süßes Lächeln hielt. »Dann werden wir sehen, ob noch Magie auf dieser Welt übriggeblieben ist.«
    Lalo heftete ein weiteres kleines, rechteckiges Blatt steifes Papier auf sein Zeichenbrett. Er spürte die Anspannung im Nacken und in den Schultern, und Illyra war beunruhigend bleich, und Schweiß glänzte auf ihrer Stirn. Die zwei Karten, die sie bereits fertiggestellt hatten, trockneten im Sonnenschein, der durch das Fenster fiel.
    »Seid Ihr bereit?« Seine Stimme klang gedämpft durch die Maske, die er jetzt beim Arbeiten immer vor Mund und Nase trug, um zu verhindern, daß sein Atem seinem jeweiligen Werk ungewollt Leben einhauchte. »Wir können für heute aufhören«, schlug er vor. Auch wenn er noch die Kraft zum Weitermachen hatte, bezweifelte er, daß die S’danzo viel länger durchhalten würde.
    »Eine noch…« Illyra zuckte leicht zusammen, als sie sich höher auf das Kissen zog. Sie strengte sich viel zu sehr an. Lalo fragte sich, ob sie sich vielleicht ohne ein Päckchen Karten nur als halber Mensch fühlte, so wie es ihm immer ging, wenn er nicht Zeichenstifte und Papier bei sich hatte, oder ob sie es nur nicht erwarten konnte, Kama loszuwerden.
    »Die nächste Karte ist die Flammen-Drei«, sagte Illyra. Ihre Stimme veränderte sich, wurde seltsam ausdruckslos, als könnte es sie bereits in die Trance der Seherinnen versetzen, wenn sie sich die Karten nur vorstellte. »Da ist ein unterirdischer Gang, dunkel an einem Ende und hell am anderen. In dem Gang sehe ich drei Gestalten mit brennenden Fackeln. Aber gehen sie auf das Licht oder auf die Finsternis? Ich kann es nicht erkennen…«
    Als hätten ihn die Worte der S’danzo in ihren Bann geschlagen, bemerkte Lalo, daß sich seine Hand bereits bewegte, daß der Pinsel in die dunkle Farbe für die Schatten tauchte und in die orangerote für die drei leuchtenden Flammenblüten. Während Illyra von der Bedeutung der Karte sprach, entstanden Form und Farbe auf dem kleinen Blatt Papier vor ihm, als wäre sein Pinsel ein Zauberstab, der sichtbar machte, was schon immer dort verborgen gewesen war.
    Die Fackelträger waren Silhouetten, ihre Gesichter nicht zu sehen, aber einer war klein, einer breit, einer drahtig und lebhaft. Konnte die breite Gestalt Molin Fackelhalter sein? Lalo malte die Zahl auf die Karte, und in dem Augenblick zwischen dem letzten Pinselstrich und seiner Rückkehr in normale Bewußtheit, vermeinte er etwas von Gilla in der breiteren Gestalt zu sehen. Vielleicht waren die beiden anderen Illyra und er selbst. Aber bewegten sie sich in die tiefere Dunkelheit oder auf das Licht zu?
    Lalo richtete sich auf und blickte Illyra an, die still wie im Schlaf – oder in Trance – auf ihren Kissen lag. Dunkle Flecken hoben sich unter ihren geschlossenen Augen ab, als hätte er sie dort mit farbverschmierten Fingern berührt. Er hatte die Macht gespürt, die während des Malens durch ihn geflossen war, doch diesmal war ihm die Bedeutung seines Werkes verborgen, als er aus seiner eigenen Schöpfungstrance zurückkehrte und die Karten betrachtete.
    Die drei fertigen Flammenkarten glühten im Sonnenschein und ihre Farben schienen mit eigener Energie zu vibrieren. Ich sollte dankbar sein, dachte der Künstler. Jetzt weiß ich zumindest, daß noch Macht in meinen Händen ist. Aber er verstand nicht, was er gemalt hatte, und sein
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