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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit
Autoren: Helmut W. Pesch
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sagte Mart Kreuchauff und stieß einen fetten Rauchring aus. »Weißt du noch, Kim, damals, als wir gemeinsam im Schützengraben lagen, rechts und links die Dornenhecken, vor uns der Feind: Tausende von Dunkelelben, Hunderttausende von Bolgs! Ah, das waren noch Zeiten, wo das Ffolk sich wie ein Mann dem Heer der Finsternis entgegengeworfen hat!«
    Kim stellte fest, dass das Heer der Finsternis durch die Erzählungen im Ffolksmund offenbar an Größe erheblich zugenommen hatte, mindestens um den Faktor zehn. Aber auch so war die Erinnerung nicht unbedingt eine, in der er schwelgen konnte. Zu dem Zeitpunkt hatte keiner von ihnen geglaubt, dass sie den morgigen Tag, geschweige denn je wieder eine friedliche Zeit erleben würden.
    »Dafür geht es uns heute wieder recht gut«, meinte er. »Das Einzige, was mir jetzt fehlt, wäre ein schönes dunkles Bier. Aber die Bolgs haben die ganzen Vorräte ausgesoffen, als sie Aldswick geplündert haben. Ich könnte dir höchstens einen Tee anbieten … Minztee vielleicht oder Hagebutte …«
    »Bemüh dich nicht!«, sagte der Kaufherr. »Ich habe dir etwas anderes mitgebracht, als Gastgeschenk sozusagen. Hol nur Gläser, und du wirst sehen – und schmecken!«
    »Frau Meta!«, rief Kim laut. »Bringt zwei Gläser, vom guten Kristall! Und auch eines für Euch!«
    Schneller, als er es für möglich gehalten hätte, stand die Gutsfrau mit einem Tablett und drei Gläsern in der Tür, ganz gespannte Aufmerksamkeit. Eines hatte sie mit Marina, seiner ehemaligen Haushälterin, gemein: Sie überhörte nichts – und alles, was sie hörte, lief dann Gefahr, am nächsten Tag in Aldswick zum Stadtgespräch zu werden.
    Mart Kreuchauff hob die Braue. »Ist es hier üblich, dass das Personal mit den Herrschaften …«
    »Marti«, fauchte die Gutsfrau, »ich habe dich bereits gekannt, als du noch in den Windeln lagst, und ein aufgeblasener Windbeutel warst du damals schon …«
    »Gutsfrau Knopff ist kein ›Personal‹, wie du wohl weißt, Marten«, beeilte sich Kim, seine Haushälterin zu verteidigen. »Sie hat einen Hof von mehr als hundert Morgen verwaltet. Ihr Mann ist im Krieg gefallen, und da sie ihren Kindern nicht auf der Tasche liegen will, hat sie aus freien Stücken beschlossen, mir zur Hand zu gehen. Und das bitte ich zu respektieren.«
    »Ich werde dich jedenfalls nicht wählen, Marti«, giftete die Gutsfrau.
    »Genug!« Kim hob die Hand. »Lassen wir Gevatter Kreuchauff seine Schätze ans Tageslicht bringen.«
    Noch ein wenig grummelnd, aber sich dennoch bewusst, dass nun die ganze Aufmerksamkeit ihm galt, zog Marten Kreuchauff etwas aus der Tasche seines weiten Überrocks. Es war eine kleine, bauchige Flasche, kaum größer als eine Handspanne und von so einem stumpfen, altersdunklen Grün, dass man unmöglich feststellen konnte, was sich im Innern verbarg. Sie trug kein Etikett. Der Korken war mit einer dunkelbraunen Substanz versiegelt.
    Gutsfrau Meta runzelte die Stirn, als wollte sie sagen: Das sieht aber nicht sehr vielversprechend aus.
    Aus der anderen Tasche zauberte der Handelsherr ein Messer mit kurzer Klinge hervor und begann die Versiegelung abzukratzen. Dann drehte er vorsichtig am Korken. Der Korken löste sich mit einem vernehmlichen ›Plopp!‹.
    Ein Duft stieg auf, so rein und klar und funkelnd, dass man fast glaubte, ihn sehen zu können. Und mit diesem Duft vergingen alle Ängste und Sorgen. Es war, als sei in dieser Flasche etwas von der Essenz des Sommers eingefangen, das sich nun in den Raum ausbreitete: das Grün der Wiesen, die bunte Vielfalt der Blumen, der Sonnenschein über den Feldern und die wärmende Glut der Reben.
    »Preis sei dem Vater«, sprach Kimberon, als der Händler ihm das erste Glas einschenkte.
    »… und der Mutter Ehre«, fuhr die Gutsfrau fort, als der goldene Trunk das zweite Glas füllte.
    »In Ewigkeit. Amen«, vollendete Kreuchauff das Gebet und goss sich das dritte voll.
    Sie tranken schweigend, und Frieden kehrte in ihre Herzen ein.
    »Was ist das?«, fragte Kim staunend.
    »Sommerwein«, erklärte der Handelsherr. »Von den Südhängen am Unterlauf des Eider. Und sagt nie wieder, man könne den Wein von Elderland nicht trinken.«
    »Aber es ist doch gewiss nicht allein der Wein?«, wagte Kim zu vermuten.
    »Es sind wohl auch ein paar gute Kräuter aus dem Schatz der Mutter mit dabei«, mutmaßte Frau Meta, »nur bei Vollmond geschnitten, wenn ihre Macht am größten ist.«
    »Ich weiß es nicht«, gab Kreuchauff zu. »Aber ich
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