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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit
Autoren: Helmut W. Pesch
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die mehr gewesen war als nur seine Haushälterin und die jetzt mit Burorin, ihrem angetrauten Gemahl, in das ferne Reich der Zwerge gezogen war. Es war so lange her, dass er sie alle das letzte Mal gesehen hatte.
    »Jemand, den Ihr kennt«, meinte Frau Meta gutmütig. »Seht selbst!«
    Ein wenig ernüchtert schob Kim die Tür zur Eingangshalle auf. In der holzgetäfelten Diele entledigte sich gerade der Ankömmling etwas unbeholfen seines Mantels. Ein Ffolksmann, der Größe und den spitzen Ohren nach zu urteilen, kräftig und untersetzt von Statur, mit einem Stock in der Hand. In dem Gegenlicht, das von der offenen Eingangstür hereinfiel, war das Gesicht des Fremden kaum zu erkennen, doch er ließ nicht lange Zweifel daran aufkommen, wer er war.
    »Kimberon, alter Freund! Wie geht es dir? Lass uns die Hände schütteln!« Schwer auf seinen Stock gestützt, kam er herbei und streckte Kim die Hand entgegen.
    »Marten«, sagte Kimberon. »Freut mich, dich zu sehen.« Er reichte ihm die Hand, und der andere schüttelte sie ausgiebig.
    Marten Kreuchauff, einer der größten Handelsherren von Aldswick, war Kim von alters her als ein eitler und aufgeblasener Wichtigtuer in Erinnerung gewesen, und auch bei der Verteidigung des Elderlands hatte er zunächst keine sehr rühmliche Rolle gespielt. Doch in der entscheidenden Schlacht war er über sich hinausgewachsen und hatte sich tapfer geschlagen. Nachdem Marten, der Held vom Haag, dann von seinen Wunden genesen war, hatte er sich alsbald entschlossen, seine neue Popularität auszunutzen und um das vakante Amt des Bürgermeisters von Aldswick zu kandidieren. Und da er gehört hatte, dass zu den besonderen Kennzeichen des Politikers auch das Händeschütteln gehört, bemühte er sich seitdem, diese Kunst zu vervollkommnen.
    »Schon gut, Mart«, sagte Kim und grinste. »Du hast meine Stimme. Aber sag, was verschafft mir die Ehre?«
    »Oh«, rief Kreuchauff und breitete die Arme aus, als hätte er den Stock mit dem Narwalgriff, auf den er sich so ostentativ zu stützen pflegte, gar nicht mehr nötig, »der Wahlkampf natürlich. Ich muss meine Wähler besuchen, Haus für Haus, wie es sich gehört. Oder darf der Kustos als Mitglied des Rates von Elderland den Bürgermeister von Aldswick nicht wählen?«, fügte er listig hinzu. Dann lachte er laut über seinen eigenen Scherz.
    »Selbst wenn dem so wäre«, erklärte Kim, »so ist die Politik doch nicht meine Sache.« Plötzlich wurde ihm bewusst, als was für ein schlechter Gastgeber er erscheinen musste. »Aber komm herein in die gute Stube. Kann ich dir irgendetwas anbieten, ein Stück Kuchen vielleicht, wenn noch etwas da ist …« Er blickte schuldbewusst zur Küche hinüber; er erinnerte sich, dass er letzte Nacht in einem Anfall von Heißhunger die letzten Krümel vertilgt hatte, und war sich nicht sicher, ob Frau Meta schon neuen gebacken hatte. »Etwas zu trinken vielleicht oder ein Pfeifchen?«
    »Ein Pfeifchen, jawohl, das wäre nicht schlecht!«, dröhnte Kreuchauff. »Man erzählt sich Wunder von deinen Schätzen an Pfeifenkraut.«
    »Es ist eines der Privilegien«, erklärte Kim, während er seinen Gast in das Kaminzimmer führte, »die das Amt des Kustos mit sich bringen, dass zu seinem Ehrensold auch ein jährliches Quantum von Knaster gehört, und mein Vorgänger, der selige Magister Adrion, hat mir einen reichen Vorrat hinterlassen.« Er konnte den Namen seines alten Mentors schon fast aussprechen, ohne den üblichen scharfen Stich des Verlustes zu empfinden; aber nur fast. »Was darf es für dich sein, Marten? Die große Meerschaumpfeife? Oder vielleicht die gedrehte aus Wurzelholz …?«
    Natürlich durfte es die Meerschaumpfeife sein, und Kim musste zugeben, dass sie dem feisten Kaufherrn mit seiner reichbestickten Weste, die sich an den goldenen Knöpfen spannte, gar nicht so übel stand. Und so, als sie sich auf den niedrigen Stühlen niedergelassen hatten und das Feuer, das im Kamin brannte, seinen goldenen Schein auf die Wände warf, da war es fast ein wenig wie in den alten Zeiten. Kim blickte auf seine eigene Pfeife, aus der sich der Rauch emporkräuselte, und der Feuerschein brach sich in dem Ring an seiner Hand, der plötzlich aufblinkte und dann wieder erlosch. Ihm war, als hörte er wieder über Zeit und Raum hinweg die Stimme Magister Adrions:
    »Er wird dich an mich erinnern, wenn die Not am größten ist, und einem jeden einen Weg zu dem Ort öffnen, wo er am meisten gebraucht wird.«
    »Ah«,
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