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Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Titel: Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)
Autoren: Gernot Gricksch
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aushält.

    Nele trifft Jegor manchmal, aber nicht so oft, wie er es gerne hätte. Der Junge ist ständig unterwegs. Er hatte unter anderem eine große Tournee, die allerdings nicht so viele Zuschauer anlockte wie erhofft. Die nächsten Castingshow-Stars sind schließlich bereits nachgewachsen. In ein paar Jahren geht Jegor womöglich gemeinsam mit Lena Meyer-Landrut ins Dschungelcamp. Ich habe keine Ahnung, ob Nele und Jegor etwas miteinander hatten – und genau genommen geht es mich auch nichts an –, aber ich habe meine Tochter neulich beim Knutschen mit einem Jungen aus ihrer Amnesty-International-Gruppe gesehen, und das hat mich gefreut. Ich schätze, irgendwann zieht Jegor weiter. In sein persönliches Glück oder in den Knast. Ich hab keine Ahnung. Wir werden es vermutlich irgendwann in der Gala nachlesen können.

    Sven und Jörn sind nicht wieder zusammengekommen. Eine Zeitlang hatten wir es alle gehofft und irgendwie auch erwartet, aber es war einfach zu viel passiert. Trotz der vielen Verletzungen, die sie einander zugefügt hatten, lieben sie sich auf so eine innige und aufrichtige Art, wie zwei Menschen sich platonisch nur lieben können. Sie sind wahnsinnig gute Freunde geworden. Einander und uns. Wie ihnen das gelungen ist, ist mir ein Rätsel.
    Jörn kümmert sich nach wie vor liebevoll um Peggy. Und vor einiger Zeit hat er jemanden aus der Kulturbehörde kennengelernt, der ihm eventuell einen Job besorgen kann. Vielleicht wird ja etwas draus …
    Sven hingegen hatte kürzlich seinen ersten richtigen Flop am Theater. Schwacher Premierenapplaus und sogar ein paar Buhrufe, verheerende Kritiken und viel zu wenige Zuschauer in den darauffolgenden Vorstellungen. Sven war für ein paar Tage am Boden zerstört, aber wir fanden es ehrlich gesagt alle insgeheim ziemlich erfreulich. Es gibt nun mal keine bessere Kur für Größenwahn als eine Bauchlandung. Und jetzt ist Sven wieder (fast) der Alte.

    Und Dille und Petra? Ach, die beiden sind einfach … Dille und Petra. Ich glaube, das Schicksal macht sich manchmal einfach einen Spaß daraus, zwei Menschen füreinander zu bestimmen, die einfach nicht zueinander passen. Die werden sich noch im Altersheim fetzen und lieben. Dille hat sich neulich beim Fallschirmspringen den Fuß gebrochen, weil er bei der Landung blöd aufkam. Petra hat null Mitleid.

    Ich bin jetzt zweiundfünfzig. Das ist ziemlich alt. Seltsamerweise fühle ich mich trotzdem oft noch wie ein kleiner Junge. Und ich vermute, manchmal benehme ich mich auch so. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass ich immer noch staunen kann. Ständig. Und dass um mich herum so viel passiert. Ich habe es geschafft, Menschen um mich zu scharen, die nicht jedes Jahr in denselben Allinclusive-Club fahren und deren schwierigste tägliche Entscheidung nicht darin besteht, ob sie abends Sat.1 oder RTL einschalten sollen. Meine Freunde gehen Überraschungen nicht aus dem Weg, sondern nehmen sie als Chance an. Und ich lebe nicht nur mein Leben, sondern bis zu einem gewissen Punkt auch ihre Leben mit. Ich brauche kein Facebook, um vernetzt zu sein. Und ich drücke lieber meine Freunde als die Fernbedienung der Glotze.

    Tja, so war das. Zehn Jahre. Viele Leben. Und jetzt, da ich auch unter diesen Nachtrag gleich das Wörtchen ENDE setzen werde, fällt mir Dominik Brockheffer wieder ein. Sie erinnern sich? Der Jungredakteur vom NDR. Der, der mich interviewt hat. Der, der mein Buch nicht einmal gelesen hat. Herr Brockheffer hat mich damals gefragt, ob mein Buch eine Botschaft habe. Ich hab ihm mit einem Zitat von Roman Polanski geantwortet: »Wenn ich eine Botschaft hätte, würde ich sie mit der Post schicken.« Aber wenn ich mir anschaue, was für halbkluge Dödel und Schnösel heute schon als Philosophen gehandelt werden und welche hergelaufenen Wurstköppe, die wahrscheinlich mit vierzig noch bei ihrer Mutter leben, bescheuerte Lebenshilfebücher schreiben, dann werfe ich Ihnen doch noch eine Botschaft zu. Sie können sich ducken, wenn Sie wollen, aber hier ist sie: Das Leben ist eine Wundertüte – aber nur wenn man sich traut, darin herumzuwühlen.
    Machen Sie’s gut.

    ENDE

NACHBEMERKUNG
    D iese Geschichte ist – wie schon der erste Kirschkernspucker -Roman – frei erfunden. Es gab keine Inszenierung am Thalia Theater, die durch das Einreiseverbot eines muslimischen Musikers erschwert wurde, und ich bin mir ziemlich sicher, dass in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie ein amerikanischer
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