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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Marina Fiorato
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Arzneimittel bald einzuschätzen. Als die Jahre verstrichen, der Arzt die Blüte seiner Jahre überschritt und Feyra sich der ihren näherte, begann sich ihre Beziehung unmerklich zu verändern und sie fing an, von seinen Anweisungen ein wenig abzuweichen. Manchmal ersetzte sie die von ihm genannten Kräuter durch andere, und manche Mittel, die der Arzt verordnet hatte, erreichten die Patienten erst gar nicht. Die Frauen im Harem waren nie gesünder gewesen. Inzwischen wusste Feyra genau, wie und womit sie die Frauen behandeln musste, aber aus Höflichkeit kam sie immer noch täglich in den mittleren Hof. Der mittlerweile stark gealterte Arzt befasste sich mit den Palastbewohnern und dem Sultan selbst. Er vertraute darauf, dass Feyra die meisten Krankheiten der zweihundert oder mehr Haremsdamen selbst zu heilen verstand. Vor zwei Jahren hatte er ihr sogar mit dem Segen des alten Sultans den Titel verliehen, den sie jetzt voller Stolz führte. Der Arzt ließ sich im mittleren Hof kaum noch blicken, daher war sie überrascht, dass er dort auf sie wartete, als sie endlich die Halle des Reinigungsbrunnens erreichte.
    Irgendetwas schien ihn aus der Fassung gebracht zu haben, denn er rang unablässig die Hände. In dieser prunkvollen Umgebung, in der er früher imposant gewirkt hatte, sah er jetzt alt und gebeugt aus. Sein Name war Haji Musa, und er hatte einst aufgrund seines chirurgischen Geschicks und seiner medizinischen Abhandlungen in der ganzen Welt großen Respekt genossen. Jetzt ließ ihn der mächtige Bogengang klein und unbedeutend erscheinen, das wässrige Grün, Blau und Weiß der Fliesen verlieh seiner Haut eine kränkliche Schattierung, und der sprudelnde Springbrunnen ertränkte seine zittrige Stimme, sodass Feyra ihn bitten musste, seine Worte zu wiederholen.
    »Verzeihung, Lehrer?«
    »Nurbanu Sultan«, nörgelte er über das Plätschern des Wassers hinweg. »Sie ist krank. So krank, dass man mich vom zweiten Hof weggerufen hat.« Er hob einen bebenden Zeigefinger und fuchtelte damit vor ihrem Schleier herum. »Hör auf mich, Feyra. Vergiss nie, dass Nurbanu die Mutter des Sultans ist. Eine hochrangigere Patientin wirst du nie behandeln.«
    Feyra spürte, wie sie ungeduldig wurde. Sie hatte sich ohnehin schon verspätet, und sie wusste nicht, warum Haji Musa so aufgeregt war, schließlich hatte sie ihre Herrin schon viele Male zuvor behandelt. Sie verneigte sich vor ihm, so wie sie es als dreizehnjähriges Mädchen zum ersten Mal getan hatte. Damals hatte sie ihm Respekt erwiesen. Heute gab sie ihm zu verstehen, dass sie gehen wollte.
    Er verstand sofort. »Erstatte mir Bericht. Ich warte. Gesegnet sei der Sultan.«
    Feyra richtete sich auf. »Denn er ist das Licht meiner Augen und die Freude meines Herzens.«
    Noch während sie die vorgeschriebene Antwort murmelte, wandte sie sich schon in Richtung der Frauenunterkünfte. Als sie davoneilte, bemerkte sie, dass der Arzt seinen Turban zurechtrückte, als hätte ihn das traditionelle Segnen des Sultans nervös gemacht.
    Der Ruf des neuen Sultans war auch so schon furchterregend genug – wenn seiner Mutter etwas zustieße, würde sein Zorn keine Grenzen kennen. Sie wusste, dass Haji Musa um seinen Kopf fürchtete, und hoffte nur, er würde sich bei Sonnenuntergang noch auf seinen Schultern befinden.
    Feyra hastete in den inneren Hof und durch die Haremstore. Hier wurde sie nicht angehalten. Zwei der schwarzen Eunuchen öffneten ihr die Tür, ohne dass sie Notiz von ihnen nahm. Sie ging den Goldenen Weg entlang, wo die Konkubinen einst mit Gold überschüttet worden waren, steuerte direkt auf Nurbanus Gemach zu und öffnete eine weitere Tür zu der inneren Kammer. Der große, luftige, mit unglaublich blauen Iznik -Steinen ausgekleidete Raum enthielt einen kleinen offenen Hof mit einem Springbrunnen und ein Podest, auf dem ein Bett stand. Schon von der Schwelle aus konnte Feyra Schreie hören.
    Sie wurde an der Tür von Kelebek empfangen, Nurbanus Gedik, ihrer Leibdienerin. »Gesegnet sei der Sultan, Feyra.«
    Kelebek, eine inmitten all dieser Schönheit schlicht wirkende Frau, war eindeutig aufgeregt, hielt aber trotzdem das Protokoll ein. Feyra war zu durcheinander, um formell zu antworten. Sie machte sich aber bislang noch keine wirklichen Sorgen wegen Nurbanus Zustand. Die Valide Sultan litt gelegentlich unter Magenbeschwerden, die ihren Leib aufblähten und ihr Schmerzen bereiteten, aber ein von Feyra selbst hergestelltes Brechmittel verschaffte ihr für
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