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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Marina Fiorato
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Interesse daran zu haben, seinen Vorteil auszunutzen. Für gewöhnlich nutzte ein skrupelloser Reiter diese Position, um gegnerische Contrade beim Start in eine schlechtere Ausgangsposition zu manövrieren. Doch Pia sah, dass der Reiter regungslos auf seinem Pferd saß, mit niemandem sprach, den Blick auf einen Punkt weit in der Ferne heftete und keinerlei Anstalten machte, seine Konkurrenten anzurempeln oder zu bedrängen. Auch sein Hengst stand unbeweglich in dem Getümmel; das Paar ähnelte in seiner starren Ruhe der Bronzestatue des berittenen Cosimo des Großen, die sie bei ihrer ersten und einzigen Reise nach Florenz gesehen hatte. Pia wünschte sich so inbrünstig, er möge Vicenzo besiegen, dass es sie selbst überraschte. Ihr Blick bohrte sich in seinen breiten Rücken, bis die blaue und burgunderfarbene Seide vor ihren Augen verschwamm.
    Kurz vor dem Start herrschte das übliche Durcheinander. Während die Pferde stampften und sich aufbäumten, rief der Startrichter einen Fehlstart nach dem anderen aus. Dann endlich reihten sich die Tiere in einem Augenblick fast unerträglicher Spannung auf und beruhigten sich wie auf ein stummes Kommando hin. Das Gebrüll und der Jubel der Menge wichen einer kurzen, gespenstischen Stille, und über Pias Kopf ließ die große Glocke Sunto im Torre del Mangia ihre selten zu vernehmende Stimme erklingen. Das Lied der Glocke, die von einem Palio bis zum nächsten schwieg, hallte über die Stadt hinweg, um zu verkünden, dass die Stunde gekommen war. Alle Köpfe fuhren herum, und alle Blicke richteten sich nach oben, denn es hieß, die Wetterfahne auf dem Mangiaturm würde in dem letzten Windhauch auf das Stadtviertel zeigen, das den Sieg davontragen würde. Der bronzene Pfeil deutete zitternd auf den Duomo der Adler-Contrada, woraufhin der Jubel aus diesem Bezirk fast die letzten Schläge der Glocke übertönte. Pia schluckte. Angesichts dieses Omens stieg Übelkeit in ihr auf. Aber die Zeit für fruchtlose Grübeleien war vorüber. Nach dem siebten Schlag verstummte Sunto, und die kleine Feuerwerkskörperkanone am Startseil wurde abgefeuert. Zehn Pferde schossen davon …
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