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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck
Autoren: Kari Köster-Lösche
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auf die Kleidung genähte Glöckchen wiesen sie als Gaukler aus. Einer derart gefahrlosen Gesellschaft konnte sie nicht widerstehen, sie fragte, ob sie sich anschließen dürfe, sie wolle nach Lübeck.
    »Je größer der Trupp, desto sicherer die Fahrt«, antwortete der Jüngere der Männer, der auf einem Grashalm kaute, mürrisch, nachdem er Taleke von Kopf bis Fuß gemustert hatte.
    Seine Schultern waren breit und der Kopf kahl bis auf ein einzelnes Haarbüschel, das wie ein Horn in die Höhe stand. Der Hornträger hatte das Sagen. Den beiden alten Männern war sein Entschluss gleichgültig, der einen der beiden jungen Frauen nicht. Aber ihre Miene war eher resigniert als feindselig und eine Spur eifersüchtig.
    Taleke wartete auf Widerspruch. Sie war sich bewusst, dass sie als hübsch galt, jedenfalls wenn ihre Mutter ihr gerade die hellen Haare gewaschen und gekämmt hatte. »Mein Butterblümchen« hatte sie sie als Kind zärtlich genannt.
    Ärgerlich wischte Taleke die melancholischen Erinnerungen beiseite. Sie blickte in die Runde. Zu ihrer Überraschung schwiegen alle, und sie zuckte die Schultern. Bis Lübeck würden sie es schon miteinander aushalten.
    In einem Dorf machten sie in Sichtweite der Brücke über die Schwartau halt, weil der Esel lahmte. Allein wäre Taleke zwar schneller vorwärtsgekommen, aber sie entschloss sich, aus Gründen der Sicherheit bei den Gauklern zu bleiben. Unterwegs hatte ihr der Anführer genussvoll von Überfällen in der Gegend erzählt. Strolche und Wegelagerer gebe es genug. Die Bewaffneten des Bischofs, die überall in der Gegend umherstreiften, seien auch nicht zimperlich mit einsamen Wanderern. Er wundere sich ohnehin, dass sie ohne Beschützer durch die Gegend spaziere.
    Erstmals verspürte Taleke so etwas wie Unsicherheit. Sie hatte bisher großes Glück gehabt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Ein geflüstertes kleines Dankesgebet an den Herrn war ihr sein Entgegenkommen schon wert.
     
    In der Schwartau schwammen zahme Enten unter den Weiden, und Gänse wanderten unbeaufsichtigt den Pfad entlang, der das schmale Flüsschen begleitete und nach Gleschendorf hineinführte.
    Die beiden Gauklerinnen machten sich wortlos daran, Holz aus einem nahen Hain zu holen. Einige Zeit später waren sie zurück und begannen, den Holzstoß aufzusetzen. Sie waren so abweisend, dass es Taleke die Sprache verschlug. Etwas anderes, als sich still hinzusetzen und abzuwarten, kam ihr nicht in den Sinn.
    Der Anführer, der Lutgerd hieß, warf sich dicht neben ihr ins Gras. Taleke rückte unauffällig ein Stück von ihm fort. Er lachte und griff nach ihr. »Nicht so kalt gegenüber deinem Gönner, meine Schöne! Schließlich genießt du meinen Schutz und willst mit uns essen. Oder hast du sonst etwas, das du beisteuern könntest? Ein Scherf, ein paar Pfennige oder einen silbernen Groschen?« Er rieb zwei Finger aneinander, Gier im Blick.
    Taleke erschrak, aber so dumm, zuzugeben, dass sie im Besitz einiger Münzen war, war sie nun auch wieder nicht. »Geld habe ich nicht …«
    »Und wir haben kaum Essen genug für uns selber, Lutgerd«, warf die eifersüchtige Frau, die Belia hieß, grollend ein.
    »Dann besorgt etwas!«
    »Wie denn, Lutgerd?«, rief Belia verzweifelt.
    »Fangt etwas! Eichhörnchen, Enten, Wasserratten – alles steht zu eurer Verfügung«, spottete Lutgerd und tauschte den durchgekauten Halm gegen einen neuen aus. »Auch Gänse, wenn du dich noch mal traust …« Dann sprang er auf, um in Sichtweite sein Wasser abzuschlagen.
    Belia schüttelte müde den Kopf. Anscheinend war dieses Thema eines, das täglich aufkam. Da war es auf dem Gutshof ja noch besser gewesen, irgendetwas zu essen hatte sich immer gefunden. Talekes Blick ging zu der Gänseschar, die jetzt offensichtlich auf dem Rückweg zum Dorf war.
    »Mach’s nicht«, warnte die zweite Frau, die Jacoba gerufen wurde, leise. »Die Ganter sind abgerichtet, glaube ich, besonders wenn keiner sie hütet, und sehr bissig. Und laut. Du würdest die Aufmerksamkeit der Dörfler auf uns ziehen. Das können wir uns nicht erlauben.«
    »Warum kümmert Lutgerd sich nicht um Essen?«, erkundigte sich Taleke, ohne den Blick von der letzten Gans zu wenden, die hinter der Herde hertrödelte, kleiner und unerfahrener und augenscheinlich damit beschäftigt, hier und dort zu naschen, bevor sie den abgegrasten Hausgarten erreichte. »Man sollte meinen, ein Bulle wie er könnte es mit jeder Gans aufnehmen.«
    »Psst«, zischte die
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