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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck
Autoren: Kari Köster-Lösche
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wurden.
    Die Schmerzen an den Rippen und an der Hüfte waren beträchtlich, aber es war keine Zeit zu jammern. Sie musste erst feststellen, wo sie war. Außerdem lebte sie noch. Das war mehr, als sie vor wenigen Augenblicken erwartet hatte.
    Sie befand sich in einer Art Verlies, das von feuchtkühler Luft erfüllt war.
    Wenig später stellte sie anhand der Säcke und Ballen, die sie ertastete, fest, dass es sich um das unterirdische Gewölbe handeln musste, in dem der Kaufmann seine Waren aufbewahrte. Pfeiler vom Umfang ihrer Armspanne teilten zwei Abteile voneinander ab. Am Ende des schmalen, lichtlosen Durchgangs zwischen den nach Fisch, muffigen Tierhäuten und aromatischen Spezereien fremder Länder riechenden Packstücken stieß sie auf eine Wand, die den Raum abschloss.
    Es gab keinen Ausweg aus dem Gewölbe, und niemand würde ihre Schreie hören können.
     
    Gerlich Pape, der Gildemeister der Bergenfahrer, saß im Schütting in der Mitte des Raums an einem schweren, dunklen Tisch und wälzte offenbar genauso schwere Gedanken. Missmutig wanderte sein Blick über die Tische und Bänke an den Wänden des Saals, die bei Versammlungen von den Korporationsmitgliedern besetzt wurden. Jetzt waren sie leer.
    »Zum Gruße, Gerlich Pape«, sagte Wittenborch und schüttelte die Regentropfen von seiner blauen Samtkappe. »Plant Ihr etwa das neue Versammlungshaus und seht zu hohe Kosten auf uns zukommen, Eurer Miene nach zu schließen?«
    »Weit gefehlt, Schiffer Wittenborch. Die hohen Kosten werden kommen, jedoch nicht durch einen Neubau, den wir selber verantworten. Die Gewinne dieses Jahres, mit denen wir zufrieden sein können, liefern uns eine gute Grundlage. Nein, die Schwierigkeiten, die wir zu erwarten haben, gehen vom Lübecker Rat aus. Er beabsichtigt, uns Liegegelder für unsere Schiffe aufzubrummen.«
    »Und damit meint er was?«
    »Schiffer, die den Lübecker Stander führen, müssen in Zukunft für das Festmachen im eigenen Hafen zahlen.«
    »Wäre es nicht vernünftiger, die Fremden zur Kasse zu bitten?«
    »Die bezahlen schon für das Stapelrecht. Obendrein noch Liegegeld? Dann würden immer mehr fremde Schiffer nach Neustadt ausweichen, vermutet der Rat.«
    »Unglaublich!«, staunte Wittenborch.
    Pape zeigte auf die Bank an der anderen Tischseite. »Setzt Euch, wenn Ihr mögt. Was führt Euch zu mir?«
    »Ihr werdet es kaum glauben. Ebenfalls Sorgen mit dem Rat, wenn auch anderer Natur. Ich fürchte allmählich, er schlägt in seiner Selbstherrlichkeit über die Stränge.«
    »Meine Meinung! Wir müssen uns unbedingt darum bemühen, einen unserer ratsfähigen Bergenfahrer als nächsten Bürgermeister wählen zu lassen, um solche Ansätze schon im Keim zu ersticken. Welche Beschwerde führt Ihr denn, Wittenborch?«
    »Im Hause Puttfarcken geht anscheinend vieles vor, was dem Ansehen des gesamten Rates abträglich wäre, wenn es ruchbar würde. In ihm betätigt sich wie eine Spinne im Netz Frau Puttfarcken. Ihr derzeitiges Vorhaben ist, unseren gutbeleumdeten Stadtarzt aus dem Amt zu werfen.«
    »Zum Vorteil ihres Sohnes Nicolaus, ich weiß. Dabei hat er bei der Behandlung Blatternkranker bisher keine glückliche Hand bewiesen.«
    »Und wisst Ihr auch, warum?« Volrad beugte sich über den Tisch. »Er ist kein Medicus. Er hat die Lehre als Chirurgus angetreten. Die wenigen Kenntnisse, die er über Blattern hat, benutzt er, um die Krankheit in der Stadt zu streuen. Versteht Ihr? Er macht Menschen krank, um anschließend wegen seiner angeblich neuesten Kenntnisse zu ihrer Behandlung gerufen zu werden.«
    Pape runzelte die Stirn. »Ich wüsste nicht, wie man Blattern streuen kann. Aber ein Chirurg ist doch kaum etwas Besseres als ein Barbier, oder?«
    Wittenborch nickte.
    »Woher wisst Ihr das?«
    »Von Meisterin Taleke. Sie hat zusammen mit Nicolaus in Paris gelernt und hat sich eine sehr solide Ausbildung als Heilerin verschafft.«
    Pape zog die Augenbrauen nach oben. »Gab es da nicht Differenzen zwischen Puttfarcken und der Heilerin? Und gegen sie sogar eine Anklage seitens des Stadtrats?«
    Wittenborch grunzte abwehrend. »Taleke versucht nicht etwa, Nicolaus eins auszuwischen, wenn es das ist, was Ihr meint. Sie hat es mir nur aus Sorge um diejenigen eröffnet, die Nicolaus ohne alle Kenntnisse behandelt. Er hat schon zwei Todesfälle zu verantworten.«
    »Hingegen hat sie einen guten Ruf«, gab Pape zu. »Wolltet Ihr im Hinblick auf Frau Puttfarcken andeuten, dass sie noch mehr auf dem Kerbholz
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