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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers
Autoren: Karla Weigand
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als man sich zur Messe in die Kirche Sankt Peter begab. Sowohl bei den Menschen wie bei den Pferden war die Atemluft in kleinen Wölkchen vor Nasen und Mündern sichtbar.
    Griseldis war froh, sich unter ihrer eleganten, grünseidenen Robe warme, schafwollene Unterkleidung angezogen zu haben sowie darüber einen dicken, weiten Umhang aus blauer Wolle. Die Zeremonie in der eisigen Peterskirche würde vermutlich Stunden dauern…
     
     

KAPITEL 78
     
    D ER A BLAUF DER Krönungsfeierlichkeiten war lange vorher festgelegt worden. Seit der Karolingerzeit war ein bestimmtes feierliches Zeremoniell überliefert, das auch an diesem Tag genau eingehalten werden sollte. Eifrig hatten alle Mitwirkenden für den bedeutenden Augenblick geprobt und die einzelnen Schritte eingeübt. Es wäre sehr ärgerlich, wenn irgendwelche Pannen während der ehrwürdigen Zeremonie auftreten sollten.
    »Aber man weiß ja nie.« Vater Berchtold hatte vorsichtshalber eine weitere Chorprobe veranlasst. In diesen Tagen entwickelte sich der betagte Benediktinermönch zum unerbittlichen Perfektionisten.
    »Ich bin König Heinrich zwar ein wenig zu alt und angegriffen vorgekommen, um mit ihm noch die strapaziöse Alpenüberquerung zu unternehmen. Aber ich wäre lieber gestorben, als in Bamberg zu bleiben«, sagte der Benediktiner grinsend. »Und das habe ich dem König auch deutlich gesagt.«
    Die Heilerin hatte gutmütig gelacht. »Ich habe schon damit gerechnet, dass Ihr Euren Kopf durchsetzen würdet, Pater. Und warum auch nicht? Diese Krönung, die Ihr mindestens ebenso sehr herbeigesehnt habt wie unser Herr, müsst Ihr einfach vor Ort mit eigenen Augen und Ohren erleben.«
     
    Am 14. Februar des Jahres 1014, einem strahlend schönen, wenn auch bitterkalten Sonntag, fand im Petersdom zu Rom die Kaiserkrönung Heinrichs II. und seiner Gemahlin Kunigunde statt.
    Das Herrscherpaar schritt zur Kirche, umgeben von zwölf Mitgliedern der römischen Aristokratie. Der Papst, der in goldbestickten Prunkgewändern auf der Terrasse vor dem Vorhof der Basilika auf einem goldenen Thron saß, erwartete den Festzug.
    Griseldis, inmitten der großen Begleiterschar des Königspaares, verrenkte sich schier den Hals, um alles ganz genau beobachten zu können. Einen vor ihr stehenden sächsischen Edelmann hatte sie sogar ein wenig unsanft zur Seite gedrängt, als dieser auf wenig galante Weise versucht hatte, sich genau vor ihr aufzubauen und ihr damit die Sicht zu verderben.
    Doch als er Heinrichs Medica erkannte, hatte sich der Mann entschuldigt und war ein Stück weiter nach hinten gerückt.
    Gemessen schritt der König mit seiner Gemahlin die Stufen zur Terrasse empor. Vor dem Thron angekommen, warf Herr Heinrich sich dem Statthalter CHRISTI zu Füßen. Der Heilige Vater fragte ihn, ganz wie der Brauch es erforderte, ob er, der zukünftige Kaiser, der getreue Schirmherr der heiligen Mutter Kirche sein und ihm, Papst Benedikt, und seinen Nachfolgern in allem Gehorsam leisten wolle.
    König Heinrich gelobte es in Demut, worauf der Papst ihm aufhalf und ihn mit dem Friedenskuss begrüßte. Nun öffneten sich die ehernen Pforten und Papst und König betraten Hand in Hand den Vorhof. Unmittelbar dahinter schritt die Königin.
    Sie gingen bis zur Silbernen Pforte, die ins Kircheninnere führte. Das Königspaar verharrte noch am Eingang in stillem Gebet, während der Heilige Vater bereits den Dom betreten hatte. Sankt Peter füllte sich nach und nach mit ausgewählten Zuschauern, die einen Seiteneingang benutzten.
    Nachdem sechs Kardinäle über beide Herrscher ihren Segen gesprochen hatten, wurde Heinrich von Priestern mit dem roten Kaisermantel bekleidet. Nun durfte er endlich selbst die Basilika betreten.
    Mitten im Hauptschiff an der Rota, der in den kostbaren Marmorboden eingelassenen, runden Platte aus Porphyr, die sich genau über dem Grab des heiligen Apostels Petrus befinden sollte, thronte Benedikt VIII. und erwartete den König mit seinem Gefolge zur sogenannten Prüfung. Hier befand sich auch der von vier riesigen gewundenen Säulen umgebene Hauptaltar der bedeutendsten Kirche der Christenheit.
    Griseldis, die sich zusammen mit Vater Berchtold einen Platz in einer der vordersten Reihen erobert hatte, konnte genau verstehen, was der Heilige Vater wissen wollte. Ob den Kandidaten der Kaiserkrönung alle jene Eigenschaften innewohnten, die für Christen und besonders für Herrscher unentbehrlich waren: Gottesfurcht und Sittenreinheit, Nüchternheit und Demut,
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