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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Geduld und ein Herz für Verlassene und Elende.
    Nachdem der Papst den König und die Königin für geeignet befunden hatte, legten Herr Heinrich und seine Gemahlin noch das Glaubensbekenntnis ab.
    Griseldis aber musste nun dem zutiefst ergriffenen Vater Berchtold den Arm schützend um die mageren Schultern legen und leise und beruhigend auf ihn einreden. Der alte Mann war durch das feierliche Geschehen so mitgenommen, dass er im Petersdom in Schluchzen ausbrach.
    »Mein lieber Herzog und König wird Kaiser. Die gleiche Ehre wie Karl dem Großen widerfährt meinem guten Herrn«, flüsterte er und weinte voll Rührung. Griseldis wiegte ihn wie ein kleines Kind in ihren Armen und wisperte auf ihn ein. Allmählich beruhigte sich der greise Mönch wieder und sie konnte mit ihm im Dom bleiben.
    Nun waren die eigentlichen Krönungszeremonien an der Reihe. Während der Papst am wunderbar mit Zweigen, Blumen und Kerzen geschmückten Altar die heilige Messe feierte, begann die Salbung Heinrichs und Kunigundes durch einen in Purpur gewandeten Kardinal. Hernach erfolgte unter frommen Gesängen und Gebeten die Überreichung der Insignien, als da waren Ring, Zepter und Kaiserkrone auf samtenen Kissen.
    Nie würde die Heilerin den Anblick vergessen, als der zum Imperator gesalbte Heinrich inmitten des heiligsten Gotteshauses des Abendlands stand: mit der altehrwürdigen Kaiserkrone auf dem Haupt, die bereits Karl der Große getragen hatte, dem mit Juwelen besetzten Zepter in der einen Hand und dem Reichsapfel in der anderen.
    Nach der Messe hob der vielstimmige Chor zu einem Segenslied an:
    Langes Leben unserem Herrn Benedikt, durch GOTTES Gnade Oberster Priester.
    Sieg und langes Leben unserem Herrn Heinrich, dem großen, friedfertigen, von GOTT gekrönten Kaiser.
    Langes Leben unserer Herrin Kunigunde, der erlauchten Kaiserin.
    Sieg und Leben dem römisch-deutschen Heer.
    Als die letzten Töne verklungen waren, erhob sich gewaltiger Jubel unter den Anwesenden, Römern wie Deutschen.
     
    Abends feierte man ein groß angelegtes Fest, zu dem der neue Kaiser, Heinrich II. sowie die ebenfalls gekrönte Kaiserin Kunigunde den Heiligen Vater und alle deutschen und italischen Herren samt Gefolge eingeladen hatten.
    Für diesen einmaligen Anlass hatte sich Griseldis mit besonderer Sorgfalt gekleidet: Unter-und Obergewand bestanden aus apfelgrünem Samt mit goldenen Borten an Halsausschnitt, am Saum und an den weiten Ärmeln; dazu trug die Heilerin des Kaisers zierliche, goldfarbene Pantoffeln.
    Ihre treue Dienerin Gerlinde hatte sich zudem große Mühe gegeben, Griseldis’ immer noch honigblondes, hüftlanges Haar zu einer eleganten Frisur aufzutürmen, wie sie bei den Damen Italiens derzeit in Mode war. In die Fülle der Locken hatte sie Bänder in der Farbe des Kleides hineingeflochten sowie goldene Rosen.
    Mit Vergnügen genoss die schöne Medica die bewundernden Blicke der edlen Herren beim kaiserlichen Festmahl. Ihr Tischnachbar zur Linken, ein römischer Conte mit markanten Gesichtszügen, in silbrig glänzendem Wams über einem weißen Hemd mit weiten Ärmeln sowie gleichfarbigen, knielangen Hosen, machte ihr gewagte Komplimente, die sie noch nie zuvor gehört hatte. Aber die Edle von Tannhofen war gewitzt genug, sich dem artig plaudernden römischen Kavalier als weltgewandte Dame des deutschen Kaiserhofes zu präsentieren, die an solche Schmeicheleien gewöhnt war…
    Die Speisen waren vom Feinsten: Kalbsbrühe mit fein geschnittenem Gemüse und Fleischeinlage, Geflügel wie Wildenten, mit einer feinen Farce aus Hasenleber und Feigen gefüllte Tauben und Fasane, dazu Reh-, Wildschwein-und Hirschkalbsbraten, mehrere Fluss-und Meeresfische und allerlei Obst, von dem man in deutschen Landen allenfalls die Namen gehört hatte und außerdem raffinierte Süßspeisen zum Nachtisch.
    Dazu trank man roten Wein, unter der südlichen Sonne Italiens gereift und jahrelang in großen Tonkrügen für diesen besonderen Anlass gelagert.
    »Kaiser und Papst zeigen demonstrativ ihre Einigkeit«, flüsterte Vater Berchtold, den man zu Griseldis’ zweitem Tischherrn erkoren hatte, ihr ins Ohr. Der Mönch fühlte sich wieder ausgesprochen wohl; wacker griff er beim Mahl zu und wie immer war er dabei ein scharfer Beobachter.
    Die Heilerin war Zeugin, wie die beiden großen Herren, Papst und Kaiser, sich brüderlich umarmten und auf die Wangen küssten. In diesem Augenblick überkam die junge Frau ein Gefühl der Hellsichtigkeit, ähnlich dem,

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